Zeit der Heimkehr
die Zeiten, die wir nich im Bett verbracht 'aben, damit ich dir 'ätte zeigen können, was für 'n großartiger Lieb'aber ich doch bin.«
»Und mir tut es leid«, erwiderte sie murmelnd, »um all die Zeiten, die wir nicht außerhalb des Bettes verbringen konnten, damit ich dir hätte zeigen können, was für eine prachtvolle Person du doch hinter deiner Maske der Grobschlächtigkeit und der Aufschneiderei bist.«
»Mir tut es einfach nur leid«, sagte Vorsicht. Der Waschbär schloß die Augen und wartete auf den ersten Kuß des Messers.
»Flieg!« drängte Jon-Tom den Hengst. »Ich weiß, daß du es kannst. Und du weißt auch, daß du es kannst.« Sich an einen alten Indianertrick erinnernd, von dem er einmal gelesen hatte, beugte er sich vor und biß dem Hengst ins Ohr. Teyva zuckte zwar zusammen, ging aber nicht in die Höhe.
»Es hat keinen Zweck, meine letzten Freunde.«
Neben dem Tor murmelten die Metzger gerade irgendwelchen rituellen Singsang. Wahrscheinlich segneten sie die geheiligten Schlachtmesser oder so etwas, dachte Jon-Tom. Sie hatten nur noch wenige Minuten.
»Flieg, verdammt!«
»Äh, Kumpel...«
»Laß mich jetzt in Ruhe, Mudge!«
Der Otter fummelte gerade in der linken Innentasche seiner stark mitgenommenen alten Weste. Neugierig geworden, drehte sich Jon-Tom doch noch um. Zweifellos wollte Mudge ihm irgendein letztes Geschenk machen, ein letztes Pfand seiner Wertschätzung, um die Bande zu festigen, die zwischen ihnen während der vergangenen Monate entstanden waren. Irgend etwas Bedeutungsvolles. Etwas, das genauso aussah wie ein vier Quadratzoll großes Paket mit weißem Pulver.
Weegees Empörung war geradezu spürbar. »Mudge!«
»Tut mir leid, Liebchen. Bin wohl schwach, nehm ich an. 'ab noch nie 'n Versprechen abgegeben ohne 'ne gewisse Absicherung.« Er reichte das Paket an Jon-Tom weiter. »Da die Epoche der Bannsängerei wohl vorbei is, is es jetzt statt dessen vielleicht Zeit für 'n bißchen Bannschnüffelei. Gib ihm 'ne Prise von dem Zeug - aber nur 'ne kleine, paß auf.«
»Ja, na klar doch.« Jon-Tom packte das Paket und hätte es bei seinem panischen Versuch, es zu öffnen, beinahe fallen lassen. Als er es in der Mitte aufriß, zuckte Mudge zusammen, als sei ihm dieses Reißen durch den hinteren Pelz gegangen. Jon-Tom umklammerte den Hals des Hengstes mit dem linken Arm und bot ihm mit der rechten Hand den aufklaffenden Beutel dar.
»öffne die Augen, verdammt!«
Teyva blinzelte und erblickte den Beutel. »Was ist das? Ich hatte bereits meinen Frieden mit dem Universum gemacht. Es gibt nichts mehr zu tun.«
»Einverstanden, völlig einverstanden. Dies hier hilft dir, dich zu entspannen. Nimm eine Prise, schnüffel sie auf.«
Der Hengst runzelte die Stirn. »Sieht aus wie Zucker. Warum schnüffeln, anstatt fressen?«
Der Singsang wurde schriller, und die offiziellen Metzger verteilten sich bereits im Halbkreis, um sicherzugehen, daß kein in Panik geratenes Opfer an ihnen vorbeijagen konnte.
»Bitte, einfach nur ein bißchen einatmen. Meine letzte Bitte an dich.«
»Eine närrische zwar, aber wenn ich damit wenigstens ein bißchen von dem gutmachen kann, was ich an Schaden angerichtet habe, will ich es gerne tun.« Der Hengst versenkte die Nüstern in dem Paket und atmete tief ein. Teyva war ein recht großes Tier. So verschwand der größte Teil des Beutelinhalts.
Ein paar Minuten verstrichen. Dann hob der Leitwolf das Ritualschwert und schlug zu. Doch durchtrennte die Klinge nur noch leere Luft.
Teyva hatte nicht etwa abgehoben, er war vielmehr zweihundert Fuß in die Höhe hinaufexplodiert.
Im Schock des abrupten Aufstiegs ließ Jon-Tom das Paket und seinen beflügelnden Inhalt fallen. Vorsicht und Weegee mußten Mudge packen, um ihn am Hinunterspringen zu hindern. Mit seinen gewaltigen Schwingen, die die Luft flimmern ließen, schwebte der Hengst wie ein Kolibri über dem Korral und seinen völlig verdutzten Besatzern. Teyva hatte nicht nur die Spannweite eines kleinen Flugzeugs, die außergewöhnliche Schnelligkeit seines Flügelschlags ließ ihn auch wie eines lärmen.
»Na, wer hätte das gedacht?« Er betrachtete den Boden weit unter ihnen. »Du hattest recht, Mensch. Das ist doch der Boden dort unten, nicht wahr?«
Jon-Toms Herz klopfte wie wild gegen seinen Brustkorb, während er sich mit einem totenstarren Griff an den Lederriemen festhielt. »Ja. Sogar ziemlich weit unten, wenn man es genau nimmt.«
Teyva wirbelte mitten in der Luft herum. »Oh,
Weitere Kostenlose Bücher