Zeit der Heimkehr
das ist ja vielleicht interessant hier oben!« Wieder blickte er in die Tiefe.
»Schau mal, wie die dort unten alle auf- und abhüpfen. Die scheinen wegen irgend etwas ganz aus dem Häuschen zu sein.«
»Ich nehme an, wegen unserer Flucht.«
»Ach ja, unsere Flucht. Wir sind tatsächlich geflohen, nicht wahr? Sie wollten uns alle umbringen.« Seine Augen verengten sich. »Wollten uns kochen und auffressen. Widerliche, gemeine Leute! Denen sollten wir eine Lektion erteilen.«
»Nein, nein! Ich meine, wir haben nicht genug Zeit, um ihnen eine... neiiiiiiin!«
Die Schwingen an die Flanken gelegt, ließ sich der Hengst wie ein Stein auf den Korral herunterstürzen. Was die verblüfften Dorfbewohner unten für Kriegsrufe hielten, waren tatsächlich Schreie nackten Entsetzens. Wölfe, Füchse und andere stoben in alle Richtungen davon. Manchen gelang die Flucht nicht schnell genug, und die Vorderhufe des Hengstes zertrümmerten ein paar Schädel. Teyva wiederholte diesen sturzkampf-ähnlichen Flug mehrere Male. Dann blieb er mitten über dem Dorf schweben und leerte Gedärm und Blase. Nachdem er schließlich noch eine Reihe von Fackeln umgeworfen und damit das halbe Dorf in Brand gesetzt hatte, flatterte er wieder empor und musterte das Chaos, das er unten angerichtet hatte, mit pferdischer Gemütsruhe.
»Das soll ihnen eine Lektion sein, lieber zweimal nachzudenken, bevor sie noch mal versuchen, harmlose Fremde aufzufressen.« Er blickte zu Jon-Tom zurück. »Dir habe ich alles zu verdanken, Mensch. Was kann ich für dich tun?«
Sich der Tatsache bewußt, daß seine Haut inzwischen eine etwas grünliche Färbung angenommen haben mußte, kämpfte Jon-Tom darum, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. »Könntest du uns in eine Stadt namens Strelakat Stallungen bringen?«
»Ich weiß leider nicht, wo das ist.«
»Wie wäre es dann mit Chejiji?« Teyvas Miene hellte sich auf. »Ah, Chejiji! Natürlich kenne ich Chejiji.«
»Und zwar schnell.«
»Warum denn schnell, Kumpel?« fragte ein zerzauster, aber jubilierender Mudge.
»Weil mir langsam schwindlig wird, und ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte. Schätze, ich habe vergessen es zu erwähnen, als ich versuchte, Teyva von seiner Höhenangst zu kurieren, aber ich habe auch Höhenangst. Schon immer gehabt.«
»Ach, das wird aber ein Spaß!« Und um ihm zu zeigen, wieviel Spaß es werden würde, vollführte der Hengst einen perfekten Doppellooping, so daß Jon-Tom den Inhalt seines Magens den Gaben hinzufügen konnte, die Teyva bereits der unter ihnen verwüsteten Bevölkerung hatte zuteil werden lassen.
»Höhenangst, Mensch?« Der Hengst stieß ein Wiehern aus, das über den halben Kontinent hallte. »Was für eine törichte Idee! Ich glaube, ich hatte auch mal Angst vor der Höhe. Kann mir gar nicht mehr vorstellen, warum. Darüber müssen wir uns irgendwann einmal unterhalten.«
»Und ob.« Jon-Tom wischte sich die Lippen. »Könnten wir jetzt weiterfliegen - bitte?«
»Nach Chejiji also.« Er lehnte sich vor, einen entschlossenen Ausdruck im Gesicht, und eine Minute später schwebten sie bereits über der silbrigen Weite des Meeres.
»Warte, warte eine Minute!«
»Ich dachte, du hättest ›schnell‹ gesagt?«
Jon-Tom zeigte nach unten. »Wir müssen erst noch unsere Sachen holen. Das heißt, wenn du glaubst, daß du noch ein bißchen zusätzliches Gewicht verkraften kannst.«
»Gewicht? Was ist denn das?«
Mudge suchte, bis er den Outrigger gefunden hatte, in dem er und Weegee ihre Rucksäcke verstaut hatten. Teyva vollführte einen weiteren herzzerreißenden Sturzflug, um dann ungeduldig zu warten, während sie ihre Vorräte einsammelten.
»Ich könnte das Boot auch mitnehmen, wenn ihr wollt.«
»Das wird nicht nötig sein.« Jon-Tom nahm wieder seinen Platz auf dem breiten Rücken des Hengstes ein. Waffen, Nahrungsmittel und die Splitter seiner kostbaren Duar zum wer weiß wievielten Male in der Hand, erhoben sie sich wieder über das Wasser.
Jeder am Ufer, der in diesem Augenblick gen Himmel geschaut hätte, hätte eine äußerst ungewöhnliche Silhouette vor dem Antlitz des Vollmonds vorbeiziehen sehen können, und vielleicht hätte er auch das Wiehern reiner Entzückung vernommen, das Teyva ausstieß. Möglicherweise sogar das scharfe Klatschen einer Pfote gegen ein Pelzgesicht, begleitet von einer weiblichen Stimme, die sagte: »Mudge, versuch das nicht noch mal.«
»Aber Liebchen«, erwiderte daraufhin eine andere
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