Zeit der Hingabe
Griff. „Sind Sie in ihn verliebt?“ Sie drückte fester zu. „Heraus mit der Sprache. Ich merke, wenn Sie schwindeln.“
„Sie tun mir weh!“ Jane wich ihrem durchdringenden Blick aus. „Natürlich bin ich nicht in ihn verliebt. Ich kenne ihn ja kaum. Er war nur sehr freundlich zu mir. Aber ihm liegt nicht das Geringste an mir, und ich bin keineswegs in ihn verliebt.“
Die Frau gab ihr Handgelenk frei, und Jane rieb sich die schmerzende Stelle. Auf Gracies Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. Sie nickte. „Sie sind in ihn verliebt. Ich habe gleich gesagt, dass ich merke, wenn Sie schwindeln, und Sie haben gelogen. Sie haben mit keinem Wort erwähnt, dass er nicht standesgemäß für Sie ist. Ich glaube, mit Ihnen hat er die richtige Wahl getroffen.“ Bevor Jane ein Wort sagen konnte, hatte Gracie den Wagenschlag geöffnet und kletterte das Treppchen hinunter. Dann drehte sie sich noch einmal um. „Ich warne Sie; wenn Sie ihm das Herz brechen, bekommen Sie es mit mir zu tun.“
„Aber er …“ Doch Gracie war bereits verschwunden.
Jane untersuchte misstrauisch den Korb neben sich. Die Kerzen verbreiteten einen schummrigen Schein. Vielleicht ist Gracie eine Verrückte und will mich vergiften, schoss es ihr durch den Sinn. Aber Ihr Hunger war stärker als ihre Bedenken, und sie machte sich über das Essen her. Einfaches dunkles Brot und Käse. Sie verzehrte alles bis auf den letzten Krümel.
Draußen war es dunkler geworden, und als sie jemanden an der Tür hörte, wich sie ängstlich zurück, fürchtete einen weiteren Besuch von Gracie. Doch es war Jacob Donnelly, der den Kopf ins Wageninnere streckte. „Wir sind bereit zur Abfahrt, Mädchen, wenn das noch immer Ihr Wunsch ist.“
Er lächelte zu ihr hoch, dieses verwegene Lächeln, das sie an seinen Kuss denken ließ. „Ja“, sagte sie mit fester Stimme. „Ich muss Miranda retten.“
„Nun ja, was das betrifft, so bin ich mir nicht sicher, ob Ihre Ladyschaft gerettet werden muss. Aber ich stehe Ihnen zu Diensten.“ Er streckte ihr seine kräftige Hand entgegen, die sie einst so unzüchtig in der Dunkelheit berührt hatte. „Wir reisen in einer kleineren, leichteren Kutsche, und da Sie Zweifel an meinen Fahrkünsten angemeldet haben, habe ich einen erfahrenen Kutscher besorgt. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.“
Sie würde ihm überallhin folgen, musste sie zu ihrer Schande gestehen. Gracie hatte sie durchschaut: Gegen jede Vernunft hatte sie sich in diesen Mann verliebt. Sie sollte aufhören, sich selbst zu belügen, und sich überlegen, wie sie mit der Wahrheit zurechtkäme. Sie durfte ihm ihre Gefühle nicht zeigen, musste ihn sich aus dem Kopf schlagen, denn das war die einzige Lösung. Sie war nicht für ihn bestimmt. Sie war für keinen Mann bestimmt.
Aber für die nächsten Tage wollte sie alle Vernunft und Bedenken vergessen. Sie wollte in seiner Nähe sein, und das würde ihr genügen.
Sie legte ihre Hand in die seine und folgte ihm.
24. Kapitel
N a schön, die Dinge entwickelten sich nicht so, wie sie geplant hatte. Miranda saß vor dem auf Hochglanz polierten, neu gestimmten Flügel, ihre Finger ruhten auf den Tasten. Wenn sie Lucien mit ihrer gespielten Heiterkeit und gezierten Koketterie auf die Nerven ging, konnte er ihr in dem riesigen Haus mühelos aus dem Weg gehen. Gestern Nacht hatte sie ihn sich vom Leib gehalten mit ihrer gurrenden Frage, wann er ihr wieder dieses „himmlische Vergnügen“ bereiten würde.
Sie war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit ahnte. Er hatte behauptet, er kenne die Frauen und wisse über ihren Körper besser Bescheid als sie selbst. Und sein verblüffendes Geschick im Bett schien der Beweis dafür zu sein. Sie sollte ihre schnippischen Bemerkungen verfeinern. Wenn er wieder nach ihr verlangen sollte – woran sie zweifelte, da er ihr geflissentlich aus dem Weg ging –, könnte sie behaupten, die ganze Angelegenheit ermüde sie. Und wenn er insistierte, könnte sie ständig dummes Zeug plappern, während er sie liebkoste.
Nein, das würde sie nicht schaffen. Seine Liebkosungen waren zu berauschend, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie war unschlüssig, was sie von dem Geschlechtsakt halten sollte. Mit Christopher St. John hatte sie alles nur angewidert. Mit Lucien war es … bestürzend. Verwirrend. Überwältigend. Er entblößte ihre Seele ebenso wie ihren Körper, sie war ihm wehrlos ausgeliefert. Beide Male hatte sie es nur mühsam geschafft, wieder zu
Weitere Kostenlose Bücher