Zeit der Hingabe
hielt; nicht einmal die Arme konnte sie bewegen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich in redlicher Absicht hier aufhalten.“
„Ich fürchte, damit haben Sie recht.“ Er klang beinahe reumütig. „Ich habe es nämlich auf Lady Carrimores Diamanten abgesehen.“
Jane hielt erschrocken den Atem an. „Aber sie trägt ihren Schmuck.“
„Oh, das ist nur ein Bruchteil ihrer Diamanten. Sie hat ganze Kästen voll von den Klunkern – vielmehr hatte. Jetzt befindet sich ihr Schmuck in einem Seidenbeutel an meinem Gürtel und ist verdammt schwer.“
„Sie sind ein Dieb!“, entfuhr es ihr. „Wie schrecklich.“
„Nicht unbedingt“, widersprach er liebenswürdig. „Ich kann recht gut davon leben. Und um die arme Duchess müssen Sie keine Träne vergießen. Ihr Ehemann verdient ein Vermögen im Sklavenhandel – die Edelsteine stehen ihr nicht zu.“
„Und wem stehen sie dann zu? Wollen Sie die Diamanten zurück nach Afrika schicken, zusammen mit den geraubten Eingeborenen?“
„Natürlich nicht. Seit fünfzehn Minuten gehören sie mir. Und ich wäre längst verschwunden, wenn ich Sie nicht draußen auf dem Flur hätte rumoren hören. Ich musste mich vergewissern, ob mir Gefahr droht. Aber nicht von Ihnen, hab ich recht, Schätzchen?“
„Wieso sind Sie sich dessen so sicher?“
Zu ihrer Verblüffung drehte er sie zu sich um, hielt sie aber nach wie vor eng an sich gepresst. Jane hob den Kopf, versuchte sein Gesicht zu erkennen. „Weil Sie im Herzen das Abenteuer lieben, das spüre ich. Sie werden mich nicht verraten, wie?“ Seine Stimme klang tief, sein schattenhaftes Gesicht war dem ihren sehr nah. Er hob ihr Kinn mit zwei Fingern an. „Habe ich recht?“
„Ich … sollte Sie verraten“, stammelte sie.
Sie konnte nicht viel von ihm sehen. Nur ein breites Lächeln und das Glitzern seiner Augen. „Sie wissen, dass ich Sie jetzt küsse, nicht wahr? Ich sollte es nicht tun, aber ich kann nicht widerstehen. Und Sie werden meinen Kuss erwidern.“
Seine Worte schockierten sie mehr als sein Geständnis, ein Dieb zu sein. „Ich denke nicht daran! Ich bin verlobt und werde bald heiraten.“
„Ich hoffe, der Kerl weiß sein Glück zu schätzen. Dieser Ring an Ihrem Finger ist beschämend. Sie verdienen Besseres.“
Sie verbarg ihre Hand mit Mr Bothwells schmalem Verlobungsring in ihren Rockfalten. „Für mich ist er gut genug.“
„Nein, ist er nicht. Und Ihr Verlobter ist es auch nicht. Aber dagegen kann ich nichts unternehmen. Pass auf, mein Schatz.“ Sein Mund nahm den ihren in Besitz, und sie zuckte erschrocken zusammen.
Es war keine diskrete Berührung seiner Lippen. Er küsste sie mit offenem, heißem Mund, drängte seine Zunge zwischen ihre Zähne und berührte die ihre. Seine Finger streichelten sanft über ihre Kehle.
Jane erstarrte. Es war der Gipfel der Dreistigkeit, schockierend, empörend, anstößig. Sie war wie gelähmt, konnte nicht schreien und wollte sich doch nicht zur Wehr setzen. Seine Zunge liebkoste sie, umschlang ihre Zunge wie in einem zärtlich wiegenden Tanz, löste befremdliche Empfindungen in ihr aus, die ihr bis in die Brustspitzen, den Leib und in den Schoß fluteten. Ein betörender Kuss, der ihre Seele umfing und sie in himmlische Sphären trug. Als der Fremde schließlich den Kopf hob, war sie betäubt und außer Atem.
„Er versteht es nicht einmal, Sie zu küssen“, raunte er in einer Mischung aus Bedauern und Heiterkeit. „Der Kerl taugt nichts, Mädchen.“
Jane blickte benommen in der Dunkelheit zu ihm auf, und dann sagte sie etwas, was sie nie im Leben für möglich gehalten hätte. „Küssen Sie mich noch einmal.“
Und er gehorchte. Sie schmiegte sich willenlos an ihn, während er sie leidenschaftlich küsste. Er hob sie mühelos hoch, als sei sie leicht wie eine Feder, und trug sie durchs Zimmer – zum Bett, wie sie vermutete. Sie ließ es geschehen, ohne den Kuss zu lösen, bis sie glaubte, im Rausch der Sinne zu ertrinken. Und plötzlich spürte sie eine Wand im Rücken.
Er hauchte zarte Küsse an ihre Wange. „Leb wohl, mein Schatz“, raunte er an ihrem Ohr. Im nächsten Moment fand sie sich im Korridor wieder, allein, keine Tür weit und breit in der Seidentapete an der Wand.
Jane zitterte an allen Gliedern. Verdutzt stellte sie fest, dass er ihr das Dominocape wieder um die Schultern gelegt hatte. Die Maske hielt sie noch immer in der Hand. Hastig zog sie die Kapuze tief in ihr erhitztes Gesicht und lehnte die Stirn gegen
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