Zeit der Hingabe
„Meine Begleitung.“
„Aha.“ Er nahm unaufgefordert auf dem zweiten Stuhl Platz. „Sie haben doch gewiss nichts dagegen, dass ein Krüppel sich einen Moment ausruht, wie? Auch wenn ich mich nicht an dem Tanzvergnügen beteiligen kann, bereitet mir mein lahmes Bein verdammte Schmerzen.“
„Sie sind kein Krüppel“, entgegnete sie ungerührt, wollte sich nicht auf sein Spielchen einlassen.
Er achtete nicht auf ihren Einwand. „Nun sagen Sie mir, Teuerste, erwarten Sie einen Herrn oder eine Dame? Wer hat Sie zu diesem Ball begleitet, da ich davon ausgehe, dass Sie nicht alleine hier sind.“
„Ich erhielt eine Einladung, Mylord.“
„Natürlich. Dafür habe ich gesorgt.“
Er schaffte es wieder, sie in Erstaunen zu versetzen. Diesen Verdacht hatte sie zwar längst gehabt, hätte aber nicht vermutet, dass er es gestehen würde. „Aus welchem Grund?“
Er lächelte geheimnisvoll. „Das sage ich Ihnen, wenn Sie meine Frage beantworten. Wer ist in Ihrer Begleitung, Herr oder Dame?“
„Was tut das zur Sache?“
„Wenn Sie in Begleitung eines Herrn sind, müsste ich ihn töten lassen“, antwortete er lächelnd im leichten Plauderton, und dennoch rieselte Miranda ein kalter Schauer über den Rücken.
„Wenn ich recht unterrichtet bin, werden Duelle mittlerweile von der Krone als Straftat geahndet.“
„Aber nein, ich duelliere mich nicht. Dafür bin ich nicht wendig genug auf den Beinen. Ich würde ihn von einem gedungenen Mörder erdolchen lassen. Das würde mich zwar einiges kosten, wäre aber mühelos zu bewerkstelligen.“
„Tatsächlich? Würden Sie dafür sorgen, wenn ich Ihnen einen Namen nenne?“
„Ich fürchte, Christopher St. John hält sich nicht mehr in England auf, andernfalls hätte ich Ihnen liebend gern den Gefallen erwiesen und ihn unschädlich gemacht.“
Miranda wurde kalt ums Herz. Sie hätte sich denken können, dass dieser Mann über die Umstände ihrer gesellschaftlichen Ächtung und den Mann, der dafür verantwortlich war, Bescheid wusste. „Zu schade“, erklärte sie seelenruhig. „Das hätte meiner Eitelkeit geschmeichelt.“
„Wer begleitet Sie?“ Seine hartnäckige Frage klang beinahe schneidend, obgleich er sie mit einem Lächeln begleitete. Am liebsten hätte sie gelogen, nur um seine Reaktion zu sehen.
„Ich bin in Begleitung meiner besten Freundin Jane Pagett. Wir hielten es für unverfänglich, da man uns hinter den Masken nicht erkennt. Und die bedauernswerte Jane wird demnächst in einer unerfreulichen Zweckehe gefangen sein und wollte sich noch einmal unbeschwert in ein Vergnügen stürzen, solange sie ihre Freiheit noch genießen darf.“
„Ich habe Sie auf den ersten Blick erkannt, Lady Miranda. Aber sagen Sie mir bitte, sind Sie nicht genau aus diesem Grund ins Unglück gestürzt? Weil Sie sich ein harmloses Vergnügen gönnten?“
Sie sah ihm in die Augen. „Wie kommt es, dass Sie so genau über meinen gesellschaftlichen Ruin Bescheid wissen?“
„Der gesamte ton weiß bestens über Ihren Ruin Bescheid. Hatten Sie etwa Zweifel daran?“
„Ein Gentleman würde nicht darüber sprechen.“
„Ich bin kein Gentleman.“
Sie wollte sich auf keine Debatte einlassen. „Sollte Jane einen Skandal auslösen, der ihren zukünftigen Gemahl veranlasst, die Verlobung zu lösen, wäre das nur zu begrüßen. Sie wäre besser dran, ledig zu bleiben, als einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt.“
„Sie sind noch so jung“, murmelte er sanft. „Nennen Sie mir seinen Namen, und ich schaffe ihn Ihrer Freundin vom Hals.“
„Wieso sind Sie heute Abend so blutrünstig?“
„Es liegt mir fern, ihn töten zu lassen, Miranda.“ Er legte eine beinahe zärtliche Betonung auf ihren Namen ohne den förmlichen Titel. „Ich würde lediglich Mittel und Wege finden, um diese Heirat zu verhindern, die Ihnen offenbar so sehr gegen den Strich geht.“
„Jane denkt, sie will diese Heirat.“
„Und Sie denken, Jane irrt sich. Ich vertraue Ihrem Urteil. Wie ist sein Name?“
Miranda lachte. Er scherzte nur, war charmant und hatte sie keineswegs vergessen. „George Bothwell. Aber Sie werden nichts gegen ihn unternehmen. Jane würde mir das nie verzeihen.“
„Jane muss nie etwas davon erfahren.“ Er erhob sich, auf seinen Stock gestützt, und beugte sich über sie. Im Schatten waren seine Narben kaum zu erkennen. „Begleiten Sie mich, Lady Miranda. Sie müssen unbedingt die beispiellos vulgären Juwelen unserer Gastgeberin bewundern. Sie brauchen
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