Zeit der Hingabe
Rückkehr werde ich Sie mit ihm bekannt machen. Ich denke, er würde Sie gern kennenlernen. Das gilt auch für den Rest der Familie.“
Ein dünnes Lächeln flog über Luciens Gesichtszüge. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen.“
Ein leises Stöhnen drang durch die dünnen Wände, murmelnde Stimmen. Miranda lächelte. „Anscheinend hat man hinter dieser Tür Spaß miteinander. Halten wir deshalb hier Wache?“
Er zog eine Braue hoch. „Wieso denken Sie, wir halten Wache?“
„Sie sagten doch, Sie erweisen einem Freund einen Gefallen. Und Sie passen auf, dass kein Ungebetener dieses Schäferstündchen stört. Ich nehme an, es handelt sich bei ihm oder ihr um eine hochgestellte Persönlichkeit. Vielleicht würde die Regierung stürzen, falls dieser Seitensprung ruchbar wird. Um das Königreich zu schützen, sitzen wir hier und passen auf, dass dieses Geheimnis gewahrt bleibt.“
Ihr Gegenüber reagierte höchst amüsiert. „Denken Sie tatsächlich, ich kümmere mich um das Wohl des Königreichs? Gott behüte! Aber Ihre Erklärung ist so gut wie jede andere. Wenn ein Pärchen auf der Suche nach einem verschwiegenen Schlafzimmer uns hier sitzen sieht, machen sie schleunigst kehrt und lassen uns in Frieden. Haben wir nicht interessantere Dinge zu besprechen? Beispielsweise, warum Sie mich mit so kühler Distanz begrüßt haben? Habe ich etwas getan, was Sie verletzt hat?“
Miranda schwieg, bevor sie seinem Blick begegnete. „Ich habe keine Lust, mich an Ihren Spielchen zu beteiligen. Ich könnte mich zieren, verschämt lächeln und es bestreiten. Sie würden weiter drängen, und ich würde kichernd mein Gesicht hinter dem Fächer verbergen. Aber solche Albernheiten sind mir zuwider. Vor zehn Tagen habe ich einen angenehmen Abend mit Ihnen verbracht. Wir unterhielten uns angeregt über Gott und die Welt, und ich hatte den Eindruck, wir könnten Freunde werden. Und dann hörte ich nichts mehr von Ihnen. Daraus zog ich den Schluss, ich habe mich geirrt, und Sie verschwenden keinen Gedanken an mich. Und dann schlendern Sie unvermutet wieder in mein Leben, als sei nichts geschehen.“
„Ich versichere Ihnen, dass ich nicht schlendere“, entgegnete er kühl. „Sie sind also erzürnt, weil ich Ihnen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt habe, wie?“
Das klang irgendwie kleinlich. Sie sollte leugnen, wie jede andere Frau es tun würde. „Ja.“
Er schwieg lange. „Ehrlichkeit ist ein bemerkenswerter Charakterzug. Daran bin ich nicht gewöhnt.“
„Tut mir leid. Ich habe einer schlichten Unterhaltung zu viel Bedeutung beigemessen und …“
„Hören Sie auf!“, fiel er ihr scharf ins Wort, dann holte er tief Atem. „Ich habe unsere Bekanntschaft nicht vertieft, aus der Befürchtung heraus, Ihre Familie könne davon erfahren und Ihnen den Umgang mit mir verbieten. Ich wollte keine Freundschaft beginnen, die zum Scheitern verurteilt wäre.“
„Aber aus welchem Grund sollte meine Familie Einwände gegen unsere Freundschaft haben?“
„Immerhin eilt mir ein denkbar schlechter Ruf voraus. Ich bin berüchtigt und pflege nicht den besten Umgang. Die meisten Familien würden mir die Tür weisen.“
„Meine Familie macht mir keine Vorschriften. Ich führe ein selbstständiges Leben. Wenn wir Freunde sein wollen, haben sie mir nichts zu sagen.“
„Sind Sie sicher?“
„Selbstverständlich.“
„Dann begleiten Sie mich morgen zu einem Ausritt. Nachmittags um vier. Wir reiten die Rotten Row im Hyde Park entlang und sorgen für reichlich Gesprächsstoff bei den Klatschbasen.“
„Einverstanden.“
In seinem Blick glaubte sie beinahe so etwas wie Triumph zu lesen. Gleichzeitig war ein zweimaliges Klopfen gegen die Wand zu hören, worauf der Earl sich erhob, schwer auf seinen Stock gestützt. „Dann sind wir uns einig. Darf ich Sie nach Hause bringen?“
Miranda schüttelte den Kopf. „Ich bin in Begleitung meiner Freundin, die ich endlich suchen muss.“
„Ach ja. Miss Pagett mit ihrem geizigen Verlobten.“ Er entfernte sich mit ihr von dem Zimmer und seinen geheimnisvollen Geräuschen. „Ich befürchte, Lady Miranda“, fuhr er im Plauderton fort, „Sie haben einen schädlichen Einfluss auf Ihre Freundin. Sie führen Miss Pagett auf Abwege.“
Miranda errötete. „Ich habe versucht, ihr diesen Ballbesuch auszureden.“
„Und dennoch sind Sie hier, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin. Wollen wir uns auf die Suche nach ihr begeben?“
„Nicht nötig“, erklärte sie, als sie in
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