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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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die kühle Wand, wartete, bis ihr fliegender Atem und ihr wild klopfendes Herz sich beruhigten. Stimmengewirr und Gelächter, vermischt mit den Klängen der Musik, drangen an ihr Ohr. Wie in Trance setzte sie sich in Bewegung, wankte dem Lärm entgegen, bis der Korridor sich mit vereinzelten Ballgästen belebte, und sie einen Polstersessel unter einem Fenster entdeckte, auf den sie erschöpft sank, immer noch benommen und verwirrt. Und hier fand Miranda sie schließlich.
    Miranda spürte die Blicke der Gäste, während sie an Lucien de Malheurs Arm die breiten Korridore entlangschlenderte, doch diesmal galt die unverhohlene Missbilligung nicht ihr, wie sie mit einiger Genugtuung vermerkte. Der Skorpion stellte den schlechten Ruf eines leichtfertigen Flittchens in den Schatten.
    „Wohin bringen Sie mich?“
    „Irgendwohin, wo wir plaudern können. Ich habe einen kleinen Auftrag zu erledigen und dachte, Sie könnten mir dabei Gesellschaft leisten.“
    „Einen Auftrag?“ Wie absurd. Welchen Auftrag könnte er auf einem Ball erledigen? Lord Rochdale erledigte keine Aufträge. Es sei denn, es handelte sich um etwas wirklich Monumentales.
    „Ich halte es für klüger, Sie nicht mit Einzelheiten zu behelligen. Wir müssen lediglich in einem bestimmten Korridor darauf achten, dass keine Gäste sich in eines der Schlafzimmer zurückziehen.“
    „Wieso sollten Gäste ein Schlafzimmer in einem fremden Haus aufsuchen?“
    „Ach Kind, wie kann ein gefallenes Mädchen nur so unschuldig sein! Die Carrimores sind ausgesprochen freizügige Gastgeber. Sie stellen Zimmer zur Verfügung, wenn Gäste den Wunsch verspüren, es miteinander zu treiben.“
    Miranda stutzte über seine Ausdrucksweise, wollte sich aber nichts anmerken lassen. „Wieso denn? Wieso tun sie das nicht in ihrem eigenen Schlafzimmer?“, fragte sie pikiert.
    „Weil die meisten Gäste mit ihrem Ehegespons nach Hause zurückkehren, nicht mit dem oder der Auserwählten, mit dem oder der sie eine Nacht lang vögeln wollen.“
    Sie entzog ihm brüsk den Arm und entfernte sich zwei Schritte. „Sie enttäuschen mich, Lord Rochdale“, wies sie ihn empört zurecht. „Mir war nicht bewusst, dass Sie eine ebenso schlechte Meinung von mir haben wie andere.“
    „Aber warum sagen Sie so etwas? Haben Sie das Wort noch nie gehört? Genau das tun diese Gäste. Ein hübscheres Wort dafür zu benutzen wäre unaufrichtig. Ich wollte Sie keineswegs kränken.“
    Sie starrte ihn feindselig an. „Wer ist denn hier unaufrichtig? Wenn Sie ein solches Wort in Gegenwart einer Dame benutzen, müssen Sie mit Entrüstung rechnen. Aber offensichtlich nehmen Sie sich solche Freiheiten mir gegenüber heraus, weil Sie mich für verdorben halten. Ehe mich der gesellschaftliche Bann traf, hätte niemand es gewagt, so mit mir zu reden, das kann ich Ihnen versichern. Warum benutzen Sie solche Worte? Haben Sie die Absicht, mich zu verführen? Oh, Verzeihung. Haben Sie die Absicht, mich zu vögeln ?“ Nie zuvor hatte sie dieses Wort in den Mund genommen, aber sie war zu empört, um sich daran zu stören. Sie schalt sich eine dumme Gans, diesem geschmacklosen Unhold gegenüber so vertrauensselig gewesen zu sein.
    „Ich habe Sie sehr wütend gemacht.“ Er klang aufrichtig bekümmert. „Das lag nicht in meiner Absicht. Es ist nur ein Wort, Lady Miranda.“
    „Genau wie Hure. Flittchen. Schlampe. Ausgestoßene. Alles nur Wörter.“
    „Nicht zu vergessen Monster. Scheusal. Ekel. Krüppel“, erweiterte er ihre Liste ungerührt. „Seien Sie versichert, ich weiß um die Macht von Wörtern. Ich habe Sie nur nicht für so empfindlich gehalten.“
    Sie straffte die Schultern. „Bin ich nicht.“
    „Sind Sie doch. Ich bitte um Verzeihung. Ich möchte unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen.“ Er nahm ihren Arm und streichelte besänftigend ihre Hand.
    Sie sollte seine Vertraulichkeit nicht zulassen. Aber der Blick aus seinen hellen Augen übte einen hypnotischen Zauber auf sie aus. Sie hatte schon so viel verloren, wollte nicht auch ihn verlieren, obgleich sie wusste, dass sie sich von ihm fernhalten sollte. Dieser Mann glich wahrlich einem Skorpion, der seinen Giftstachel einsetzte, wenn man es am wenigsten vermutete.
    Dann strich er ihr mit zarten Fingern über die Wange und drehte ihr trotzig abgewandtes Gesicht zu sich. „Verzeihen Sie mir?“, raunte er samtweich, und wieder geriet sie in seinen Bann.
    Kein Wunder, dass man ihn einen narbigen Teufel nannte. Der Skorpion, der sein

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