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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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Sterne scheinen sich vermehrt zu haben. Das ganze Universum basiert auf Anziehung, nur die Idioten von Menschen haben die Ablehnung kultiviert.
    In Snakes Haus brennt noch Licht. Was macht der eigentlich? Briefe schreiben? Oder Songs? Nein, er hört Musik. Ich gehe näher ran.
Thunder Road
von Springsteen. Natürlich. Wahrscheinlich baut er einen Tabernakel für seinen Brief. Was soll’s, jetzt gehe ich wirklich heim. Ist das die Straße, die da donnert, oder mein Gehirn?
    Zu Hause gehe ich hinauf in Sarahs Zimmer. Sie schläft. Ich weiß, ich habe das schon erwähnt, aber es gibt nichts Friedlicheres als ein schlafendes Kind. Nichts Schöneres, Beruhigenderes. Ich setze mich an ihr Bett. Instinktiv dreht sie sich zu mir. Der Polsterabdruck auf ihrer Wange zeichnet einen Baum in ihr Gesicht. Im Ohr verwurzelt, streckt er seine Äste bis in ihr Auge. Ich streiche mit der Hand darüber. Sie wacht auf.
    »Was ist, Cornelius?«
    »Nichts, ich sitze nur so da.«
    »Geht’s dir nicht gut?«
    »Ist schon okay.«
    »Warum schläfst du nicht?«
    »Weiß nicht, kann nicht. Willst du bei mir schlafen heut Nacht?«
    »Nein.«
Der achte Anschlag
    Das war der harmloseste und unspektakulärste. Merkt ihr, wie schnell man sich an den Wahnsinn gewöhnt und ihn integriert? Jedenfalls kam dieser Anschlag ganz unerwartet. Ich meine, natürlich gehört das zum Wesen einer terroristischen Attacke, aber der Mann war Priester und der Ort war ein Beichtstuhl in der Pfarre St. Josef. Sanktjessasmarandjosef! Eigentlich wären es ja beinahe zwei Anschläge gewesen, aber nur eine der Bomben ist hochgegangen. Die zweite wurde in der jüdischen Schule in der nicht weit davon entfernten Castellezgasse sichergestellt. Ein siebzehnjähriger Schüler ist mit seinem präparierten Rucksack mühelos an den Sicherheitsbeamten vorbeimarschiert und hat ihn auf dem Klo deponiert. Während seines Verhörs soll er gesagt haben: »Wien ist eine einzige Ansammlung von antisemitischen Dummköpfen.« Mag ja sein, aber was war dann sein Rucksack? Der wohlüberlegte Reformansatz einer prosemitischen Intelligenzbestie? Man konnte nicht mit Sicherheit feststellen, ob der Priester selbst die Bombe angefertigt und ausgelöst hatte, oder ob er selbst ein Opfer gewesen war.
    Es passierte an einem Nachmittag. Nur der Priester und eine alte Frau waren in der Kirche. Die Frau hat sogar überlebt. Journalisten wollen herausgefunden haben, dass der Priester eine Freundin und ein Kind in Katowicz, Polen zurückgelassen hat. Das wurde natürlich als mögliches Motiv gehandelt. Aber es gab weder ein Bekennerschreiben noch irgendwelche auf der Hand liegenden Zusammenhänge. Vernünftiges Denken drängt einen ja zu der Vermutung, dass ein anderer die Tasche in dem Beichtstuhl hinterlegt haben muss, denn sich selbst hätte dieser überforderte Mann Gottes auf wesentlich unaufwendigere Art und Weise beseitigen können. Andererseits ist vernünftiges Denken nicht gerade zeitgemäß. Das ist, als ob du in der Hölle landest und in einem gut gemeinten, wenn auch lächerlichen, revolutionären Willkommensakt die Zehn Gebote an die Wand nagelst. Satan wird einen kräftigen Schluck machen, dich anlächeln und sagen: »Dreh dich um und sieh dir diese Wand einmal genauer an.« Du drehst dich um. Diese Wand bist du. Und eigentlich bist du keine Wand, sondern ein Kreuz. Autsch!

10. SNAKE
    Das ist wie in einem blöden Film.
    Heute Morgen ging’s mir nicht viel besser. Am liebsten hätte ich gleich wieder ein Bier getrunken, aber ich habe da so einen Sensor eingebaut. Ich bin da sehr vorsichtig, sehe sofort meinen Vater vor mir. Der lässt sich nur gehen. Das ist richtig krank. Er stinkt, wäscht sich nur, weil meine Mutter ihn dazu zwingt, benimmt sich wie ein blödes Kind oder ein Junkie. Und wenn man’s genau nimmt, ist er auch einer. Ich will euch das ersparen. Aber ich weiß, dass ich sehr gefährdet bin. Danke, Vater. Er scheint sein Vorhaben tatsächlich durchzuziehen. Schweigt wie ein Grab. Meine Mutter hat mir noch einmal nahegelegt, den Bäckerjob anzunehmen. Ich solle ihn mir nur einmal anschauen und guten Willen zeigen. Dabei hat sie geweint und gelächelt gleichzeitig. Ich bin mir in diesen Momenten nie sicher, ob sie ehrlich ist oder ihre Emotionen ganz bewusst einsetzt. Ich vermute stark, dass Mütter die perfekten Schauspielerinnen sind.
    Heute ist Mittwoch. Sarah ist in der Schule. Auch sie schweigt noch immer. Auch kein Wort ihren Erzeuger betreffend. Ist das nicht

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