Zeit der Idioten
mit Bob oder meiner Familie zu tun. Oder indirekt schon …«
»Verstehe. Was meinst du?«
»Cornelius, ich werde dir jetzt was erzählen. Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du nicht über mich urteilen wirst, okay?«
»Okay.«
»Letzte Nacht habe ich Bob betrogen.«
Gibt’s da vielleicht einen Wettbewerb in Bölling, von dem ich nichts weiß?
»Wow … dann steht’s jetzt eins zu eins, würde ich sagen.« Mit wem?, möchte ich fragen, aber ich bin ganz kontrolliert.
»Ich muss dir auch sagen, mit wem.«
»Oh, na dann …«
»Mit Snake.«
»Was? Mit dem Firngruber Hansi?«
»Pscht, Cornelius! Sei leise. Ja, mit dem Firngruber Hansi.«
»Aber wieso?«
»Mit wem sonst? Hätte ich vielleicht zu dir kommen sollen?«
»Was soll das heißen?«
»Hör zu. Ich wollte es einfach tun, verstehst du? Das hat nichts mit Liebe zu tun. Und auch nichts mit sexueller Begierde. Ich war so wütend auf Bob, und es schien mir das Vernünftigste zu sein – zumindest gestern Nacht.«
Wie gesagt, die Vernunft ist nicht gerade zeitgemäß. Am liebsten würde ich ihr eine runterhauen.
» Scheiße, der Firngruber … Das gibt’s ja nicht … aber bitte, ich bin nicht dein Richter. Warum erzählst du mir das?«
»Also, wenn es dich beruhigt, es hat nicht wirklich funktioniert. Das Leben ist kein Film, Cornelius. Der Snake ist ziemlich am Ende. War total überfordert und das Ganze ist ihm furchtbar peinlich gewesen. Ich bin, glaube ich, wie eine Furie über ihn hergefallen. Der arme Kerl. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber länger als zehn Minuten hat’s nicht gedauert. Und er hatte nicht einmal eine richtige Erektion … ist ja egal, aber weißt du was? Er kann nur, wenn im Hintergrund
Thunder Road
von Springsteen läuft.«
Na super, da war ich vielleicht zehn Meter von ihnen entfernt.
»Und noch was: Sein Klapperschlangentattoo ist gar kein richtiges Tattoo. Das ist nur aufgemalt. Von ihm selbst. Und er zieht es jeden Tag nach, hat er gesagt. Ist das nicht verrückt?«
»Natürlich ist er verrückt, aber …« He, ist das hier
Sex and the City
oder was? Ich bin doch nicht ihre blöde beste Freundin!
»Eigentlich will ich was ganz anderes loswerden.«
»Na, das hoffe ich.«
»Cornelius.« Sie setzt einen verschwörerischen Blick auf und flüstert: »Ich glaube, der Snake bastelt an einer Bombe.«
»Was?«
»Ja. Ich kenne mich da nicht aus, aber auf seinem Schreibtisch – ich habe ihn ja praktisch überfallen, der hat keine Zeit zum Aufräumen gehabt, verstehst du?«
»Was liegt auf seinem Schreibtisch?«
»Mehrere Handys und Kabel und Schachteln … und da war so ein Rattengift, was weiß ich, die verwenden solche Sachen, das habe ich gelesen; aber was mir wirklich Angst gemacht hat – der hat alles über den Gstettner Franz gesammelt. Da liegen Unmengen an Zeitungsausschnitten herum und Fotos von früher. Verstehst du, Cornelius? Das ist wie in einem Film. Es liegen auch hunderte Videos und Platten herum. Und Bücher. Und die Wände sind voll mit Kurt Russell. Ich weiß nicht, das alles ist sehr seltsam. Bin ich paranoid?«
»Ich weiß nicht. Zuzutrauen wär’s ihm. Viele Selbstmordattentäter verwenden Handys als Auslöser.«
»Na siehst du? Ich hab’s gewusst. Du spielst doch am Freitag mit ihm bei Bob. Du musst dir das anschauen, versprichst du es mir?«
»Schön langsam. Ich werde mich darum kümmern. Geh du nach Hause und beruhige dich einmal.«
»Du kümmerst dich darum, versprochen?«
»Ja, ich habe gesagt, ich kümmere mich darum.«
»Danke, Cornelius. Ich, ich – es tut mir alles so leid.«
»Was denn?«
»Ich hätte ja auch … ach nichts.«
Was, zu mir kommen können?
»Ist schon gut, geh jetzt, Andrea.«
»Du rufst mich an, ja?«
»Ja.«
»Und du bist nicht enttäuscht von mir?«
»Geh jetzt.«
Seid ehrlich, bei Anne Bancroft denkt jeder nur an
Die Reifeprüfung
, aber ich sage euch, in späteren Jahren ist sie noch viel aufregender gewesen. Die hat mit dem Alter einfach nichts von ihrer unglaublich weiblichen, magischen Aura eingebüßt. Und sie war bis zuletzt wunderschön. Das ist sehr bemerkenswert, finde ich. Auch sie hat sich so etwas Heiliges ihr ganzes Leben lang behalten. Ich weiß, ich habe gesagt, nur Idioten vergleichen Frauen mit Filmschauspielerinnen, aber es gibt da eine Parallele: Die celluloiden Frauen betreten nie deine Wirklichkeit, und die von dir verehrten realen Frauen, mit denen du nicht geschlafen hast, bleiben auch außerhalb deiner
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