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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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besuchen, ich muss ihn ohnehin wegen des Gigs kontaktieren.
    »Hallo?«
    »Wer ist da?«
    »Hier ist Cornelius.«
    »Hallo.«
    »Äh, ich wollte mich nur einmal melden. Was meinst du, soll ich bei dir vorbeischauen und wir gehen die Songs durch?«
    »Okay, wann hast du Zeit?«
    »Wie wär’s mit gleich?«
    »Okay, bis dann.«
    »Hi, Cornelius. Kaffee?«
    »Ja, bitte. He, tolle Bude.«
    Es ist total aufgeräumt. Die Platten und CDs stehen Rücken an Rücken und sogar alphabetisch geordnet in Regalen. Der Schreibtisch entspricht schon eher Andreas Schilderung. Kurt Russell ist omnipräsent.
    »Milch und Zucker?«
    »Nur Milch, bitte.«
    »Ich hab leider nichts dazu.«
    »Kein Problem. Der Gstettner hat dich wohl ziemlich beschäftigt, wie ich sehe.«
    »Ja.«
    »Mich auch, wie du dir vorstellen kannst.«
    »Ja, du hast ihn ja live gesehen, oder?«
    »Kann man wohl sagen. Du nie?«
    Er schaut mich komisch an. Stimmt, er macht ja keinen Schritt raus aus Bölling. Jessas, der ist wirklich schräg.
    »Irgendwie hat er mich interessiert«, sage ich dann.
    »Ja, sicher.«
    »Meine Wenigkeit ist ein guter Name gewesen, oder?«
    »Mhm, ja.«
    »Aber er war trotzdem ein Idiot. Ein Vollidiot, um genau zu sein. Ich meine, ich wär beinahe draufgegangen.«
    »Wie war sein Abgang eigentlich? Wie war er drauf an dem Abend?«
    Ich erzähle ihm also die ganze Geschichte von dem blöden Comedy-Wettbewerb und Meine Wenigkeits Anschlag. Er ist hyperkonzentriert und macht sich zwischendurch sogar Notizen. Es ist, als ob er mich interviewen oder verhören würde. Er saugt mich aus. Wenn ich ihm eine Frage stelle, antwortet er nur mit einem Nicken oder Kopfschütteln, bestenfalls mit einem kurzen Satz.
    »He, du hast ja drei Handys. Was machst du mit drei Handys?«, frage ich naiv.
    »Weiß nicht. Handys sind interessant.«
    »Und Ratten hast du auch. Ich hasse die Viecher, zu mir kommen sie immer wieder. Die lachen mich aus, wenn ich sie vergiften will, ich schaff das einfach nicht.« Blablabla. Ich mache Smalltalk wie ein blöder Verkäufer in seinem Geschäft. Aber mein Kunde interessiert sich nicht für meine Ware.
    »Was gefällt dir eigentlich so an der
Klapperschlange
, Snake?«
    »Hast du den Film gesehen?«
    »Glaub schon, aber ich kann mich nicht erinnern.«
    »Snake Plissken!« Er spricht den Namen aus, als ob er etwas Heiliges oder ein Staatsgeheimnis wäre.
    »Snake Plissken ist der totale Einzelgänger, verstehst du. Der ultimative
One Man Guy
! Man möchte meinen, er wäre ein Verbrecher auf der Seite der Gesetzlosen und seine Feinde sind Polizei, Staat und Regierung – aber nein, er ist nur er selbst. Und soll ich dir sagen, was am Anfang der
Klapperschlange
passiert?« Er macht eine dramatische Kunstpause.
    »Ja. Sicher.«
    »Am Anfang der
Klapperschlange
– du musst wissen, ganz Manhattan ist ein Hochsicherheitsgefängnis –, gleich am Anfang wird der Präsident der Vereinigten Staaten von Terroristen in seinem eigenen Flugzeug entführt, und kurz nachdem diese Terroristen Amerika einen rassistischen Polizei- und Obrigkeitsstaat nennen, rast das Flugzeug auf Manhattan zu und, na, was glaubst du, mitten in einen Wolkenkratzer hinein! Du kannst dir vorstellen, wie ich mich am elften September gefühlt habe.«
    »Mmmh.«
    »Und das war 1981!«
    »Wow.«
    »Also gut«, sagt er dann. »Ich habe hier eine Liste der Songs, die ich spielen will. Du steigst einfach bei den Songs ein, die dir gefallen oder die du drauf hast, okay?«
    »Okay. Wollen wir proben?«
    »Wir müssen proben.«
    »Gut. Morgen?«
    »Morgen also.«
    »Ich geh dann …«
    »Ja.«
    »Hallo? Andrea, bist du das?«
    »Ja. Cornelius?«
    »Ja, ich wollte dir nur berichten. Also, ich war bei ihm.«
    »Und, was sagst du? Hab ich Recht?«
    »Ich weiß nicht. Da waren die Handys und das Rattengift, aber sein Haus ist sehr ordentlich. Ich habe nicht das Gefühl, dass er durchdreht. Er ist sehr ruhig.«
    »Vielleicht ist er ja zu ruhig. Ich habe schon überlegt, zur Polizei zu gehen. Wenn wir nichts tun, gefährden wir vielleicht uns selbst und unsere Kinder. Denk an Sarah, Cornelius. Die hat schon genug durchgemacht.«
    »Nein, das kannst du ihm nicht antun, Andrea. Er ist ohnehin der Freak hier. Wenn die Böllinger von deiner Vermutung erfahren – und du weißt, dass das passieren würde –, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass er ausrastet, noch viel größer, verstehst du?«
    »Ich hoffe, du hast Recht, Cornelius.«
    »Hab keine Angst. Ich bin morgen wieder

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