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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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zu leisten. Da steigt plötzlich einer aus einem Auto aus und kommt auf mich zu.
    »Cornelius?«
    »Ja?«
    »Ich bin’s, Vincent. Sarahs Vater. Ich würde gern kurz mit dir reden.«
    »Na gut. Ich hab aber nicht viel Zeit.« Jessas, was will denn der von mir? Wir gehen spazieren.
    »Ich will dir etwas erzählen. Ich will dir davon erzählen, wie Sarah gezeugt wurde. Und ich habe auch etwas für dich, eigentlich für Sarah, aber ich fühle mich hier ein wenig überfordert, wenn du verstehst.«
    »Aha. Na, ich weiß aber nicht, ob mich das auch interessiert.«
    »Bitte. Hör mir einfach zu. Das war irgendwie besonders. Wir haben’s nur einmal gemacht, nur ein einziges Mal! Also, ich hab die Lena ja kaum gekannt. Sie hat mich an diesem Abend richtig verführt, verstehst du? Wir waren unterwegs und sind dann zu ihr nach Hause, ihre Eltern waren nicht da, glaube ich, ich kann mich nicht genau erinnern. Egal, jedenfalls haben wir miteinander geschlafen und sie wollte unbedingt, dass ich den Gummi weglasse. Ich hab das für keine so gute Idee gehalten, sie hat aber darauf bestanden. Es war sehr schön. Unglaublich intensiv. Es war für mich danach nie wieder so intensiv. Weißt du, ich finde, das ist wichtig. Wir haben uns dann angezogen und sind noch zu diesem Schotterteich gegangen. Dort haben wir uns stundenlang unterhalten. Unser Gespräch war am Anfang sehr steif, ich wollte sie kennenlernen, aber sie hat total abgeblockt. Ich weiß noch, ich habe ihr Fragen gestellt und sie hat mich gefragt, ob ich über Mädchen Buch führe, und ich habe gesagt, nein, ich wolle nur richtig Kontakt zu ihr aufnehmen. Ich weiß noch, wie sie gesagt hat: ›Sex ist eine ziemlich eindeutige Form von Kontakt, findest du nicht?‹ So was in der Art.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen, das ist typisch Lena«, sage ich. Ich weiß nicht warum, aber ich höre ihm richtig zu.
    »Sie hat mich dann eher abfällig gefragt, ob ich sie vielleicht liebe. Nein, hab ich gesagt – ich kannte sie ja kaum. Ich wollte mich nur menschlich verhalten, verstehst du? Wollte sie nicht einfach bespringen und wieder abhauen, ich war nicht der Typ für so was. Wahrscheinlich hat sie mich für einen Freak gehalten, denn ich glaube, sie war schon der Typ für so was.«
    »Ja, das glaube ich auch.«
    »Jedenfalls habe ich ihr dann von meiner etwas schrägen Kindheit erzählt, aber das erspare ich dir.«
    »Nein, erzähl schon. Ich meine, das geht sich schon noch aus, wenn du willst.« Warum sage ich das?
    »Naja, meine Mutter war irgendwie verrückt. Die war besessen von Van Gogh, verstehst du? Deswegen auch Vincent. Als ich drei war, hat sie mir eine Staffelei geschenkt, mit allem Drum und Dran: Acrylfarben, Leinwände und so. Natürlich hab ich damit herumgepatzt, aber mehr war da nicht – mein Gott, ich war drei! Aber sie hat alles aufgehängt, hat mich allen als Naturtalent und Genie vorgestellt, sie ist von Galerie zu Galerie gelaufen, hat Kunstagenten kontaktiert und gequält, und einmal hat sie es sogar geschafft, eines zu verkaufen. Von meinem Vater hat sie sich dann getrennt, als ich fünf war. Hat sich echt scheiden lassen, weil er versucht hatte, ihr klarzumachen, dass das alles verrückt sei. Sie wollte aber nicht in Frage gestellt werden, schon gar nicht von ihrem eigenen Mann. Sie war wirklich extrem. Hat mich Van Goghs abmalen lassen und mich so lange kritisiert, bis eine gewisse Ähnlichkeit da war – das war für sie dann der Beweis, dass ich das Zeug dazu hatte. Als ich sechs war, sind wir sogar im Fernsehen aufgetreten. Gott, war das peinlich!«
    »Du bist also so was wie ein Kinderstar?«
    »Sozusagen, wenn auch kein wirklicher. Es hat auch nicht mehr lange gedauert.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie hat sich umgebracht.«
    »Oh ja, Mütter drehen schnell durch.«
    »Na, jedenfalls hab ich Lena das erzählt, weil ich sie zeichnen wollte. Und ich habe sie dann auch gezeichnet, dort unten am Schotterteich. Und als ich ihr die Zeichnung gezeigt habe, hat sie plötzlich geweint und gemeint, das Mädchen auf dem Papier hätte nichts mit ihr zu tun, es wäre viel zu schön und so. Und dann ist sie mir um den Hals gefallen und hat mich für den Rest der Nacht nicht mehr losgelassen. Das war wirklich sehr schön, weißt du?«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Ich weiß ja nicht, was sie dir erzählt hat, aber ich habe sie noch monatelang angerufen, doch sie ist nie ans Telefon gegangen. Ich habe bei ihren Eltern angeläutet, aber die haben mich ziemlich

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