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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Moshammer
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schroff abgewiesen. Ich habe das alles nicht verstanden, es aber schließlich akzeptieren müssen. Und dann, vor ein paar Jahren, hat sie mich eines Tages angerufen, um mir kaltschnäuzig zu sagen, dass ich eine Tochter hätte und mich gefälligst um sie kümmern soll. Da habe ich ihr die kalte Schulter gezeigt. Ich habe ihr die Geschichte auch nicht abgenommen. Wie gesagt, wir haben’s nur einmal gemacht, mir ist das sehr unwahrscheinlich vorgekommen. Noch dazu hat sie gleich was von Geld gesagt und mir Vorhaltungen gemacht.«
    »Davon weiß ich nichts. Mir und Sarah hat sie erzählt, du wolltest von einem Kind nichts wissen und hättest sie sitzen gelassen.«
    »Das habe ich mir gedacht. Jedenfalls habe ich ein wenig nachgeforscht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich tatsächlich Sarahs Vater sein könnte. Ich habe Lenas Eltern kontaktiert und ihnen meine Daten hinterlassen, für den Fall, dass sie oder Sarah mich einmal brauchen sollten, verstehst du?«
    »Mmh, verstehe. Und warum erzählst du mir das?«
    »Ich kann es Sarah nicht erzählen. Ich bin da total unsicher. Und ich habe gemerkt, wie ablehnend du mir gegenüber bist.«
    »He, bei mir geht’s gerade drunter und drüber, verstehst du, ich –«
    »Jaja, du brauchst dich mir gegenüber nicht erklären, ich weiß ungefähr Bescheid und es geht mich ja auch gar nichts an. Entschuldige, dass ich dich so vollquassle – verglichen mit deiner ist meine Geschichte ja auch lächerlich.«
    »Ist schon okay … Und was wolltest du mir geben?«
    Er zieht einen Umschlag aus seiner Tasche.
    »Die Zeichnung. Die habe ich aufgehoben und ich dachte, dass Sarah vielleicht … nimm du sie, bitte.«
    Ich nehme die Zeichnung heraus. Sie ist wirklich gut. Ich meine, das ist eindeutig Sarah in ein paar Jahren, versteht ihr?
    »Danke. Also, ich weiß jetzt nicht, was ich damit tun werde. Du weißt ja, dass Sarah im Moment … naja, ist egal jetzt.«
    »Ja, ist egal. Ich wollte dir auch sagen, dass ich es wirklich sehr bewundernswert finde, dass du jetzt bei dem Bäcker arbeitest, und dass du sicher ein guter Vater bist.«
    »Na gut. Ich muss dann los, zur Arbeit.«
    »Okay, danke, dass du dir Zeit genommen hast und …« Er drückt herum, als ob er noch etwas sagen will.
    »Was? Sag schon.«
    »Nein, ich hab’s ja schon gesagt. Es klingt wahrscheinlich blöd, aber ich finde es sehr wichtig, dass Sarah einmal erfährt, dass die Nacht, in der sie gezeugt wurde, eine Liebesnacht war, verstehst du? Dass sie aus echter, wahrhaftiger Liebe entstanden ist …«
    »Ja, ich hab’s verstanden. Bis dann also.«
    Scheiße, der Typ ist so anständig, dass ich mir selbst wie der reinste Verbrecher vorkomme. Ich stecke die Zeichnung ein und mache mich davon.
    Ich versuche etwas anderes in den Kopf zu bekommen, irgendeinen Song in Gedanken durchzugehen, aber ich kann mich für keinen entscheiden. Dann fällt mir Andrea wieder ein. Irgendwie haben Menschen wie Andrea, Menschen, die von Angst oder Pessimismus angetrieben werden, eine Macht, der man sich nicht entziehen kann. Ihre Wahrnehmung ist auf eine imaginierte, schreckliche Zukunft ausgerichtet. Sie leben in einem konjunktivischen Zeit-Raum-Gefüge, wenn ihr wisst, was ich meine. Man kann ihnen vernünftige Gegenargumente zu ihren Horrorszenarien liefern, aber sie haben mit Sicherheit das letzte Wort. Sie werden sich immer mit ›Es könnte aber dennoch passieren‹ verabschieden, und dagegen gibt’s kein Argument. Und genau das schwirrt einem dann im Kopf herum. Ich sage euch, Angst ist ansteckend. Vincent ist wahrscheinlich kein ängstlicher Typ. Der vertraut sicher auf sein Schicksal – Ladies and Gentlemen, der Mann des Jahres! Passt auf, Mädels, sein Powersamen befruchtet eure Eier, so schnell könnt ihr gar nicht kommen – und nicht genug, das alles verpackt in die
eine, echte, wahre Liebe
! Wenn ihr auf der Suche nach etwas, für das es sich zu sterben lohnt und zu intelligent zum Bombenlegen seid, hier ist euer Mann: Vincent Auer! Jessas. Und so widme ich mich dann doch lieber dem Gegenteil und schaue noch kurz beim Firngruber vorbei. Nur um sicher zu gehen.
    Wenn ich jetzt spontan erblinden würde, wäre es dennoch kein Problem, Snakes Haus zu finden. Er muss seine Anlage voll aufgedreht haben. Er spielt
Fun House
von den Stooges. Ich muss lachen. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal gelacht habe. Wie auch immer, gut, dass ich nicht blind bin, denn auf einmal stürzt sich irgendwas von links auf mich. Richtig

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