Zeit der Jaeger
verwoben sich mit blühender, verzweifelter Notwendigkeit. Und mit Verständnis.
Nichts, was er tat, konnte den Schmerz über Jesups Verrat auslöschen. Von niemandem, nicht einmal von einem Clanner, konnte man erwarten, dass er für gar nichts diente. Doch auch er hatte seine Wahl getroffen.
Petr hatte Sha bereits besiegt, hatte ihm und allen, die ihm folgten, bewiesen, dass es, ganz gleich, ob Petr überlebte oder starb, ganz gleich, wie weit sich die Khanate voneinander entfernten, unmöglich war, den Geist des Seefuchsclans zu brechen. Nichts und niemand konnte ihn zerstören, nicht von außen und ganz sicher auch nicht von innen. Er erkannte, dass ihn diese Kraft durchströmte und er auf sie zurückgreifen konnte, wenn alles andere versagte.
Petr richtete sich auf, lächelnd, ohne Wut, ohne Schmerz oder Verbitterung, zum ersten Mal seit vielen Wochen. Und antwortete. »Ich bin Clan Seefuchs.«
Er sog einen tiefen Atemzug in die brutal malträtierte Brust und warf sich in einen letzten Angriff.
Clan-Seefuchs-Frachtschiff Gleiter durch die Leere, am Nadirsprungpunkt des Castor-Systems Präfektur VII, Republik der Sphäre
1. November 3134
Der Datenwürfel passte genau in seine Hand.
Petr kehrte aus der Gemeinschaft Delta in seine Befehlskabine zurück, wo er die Reparaturen inspiziert hatte. Mit den Fortschritten war er sehr zufrieden. Der Strom der Fuchsclanner glitt dort noch immer auf allen Seiten um ihn herum, doch es gab keine Garantie mehr, dass niemand ihn berührte. Und falls es zu einem Stoß kam, löste das weder Entsetzen noch Unterwürfigkeit aus.
Er betrachtete auch keines von beidem mehr als sein Recht. Jetzt war er sich der Menschen um ihn herum bewusst. Ihrer Stimmungen, ihrer Wünsche, Vorlieben und Abneigungen. Was er für sie bedeuten konnte. Verspürte den Wunsch, hier die Hand auf eine Schulter zu legen, dort eine Hand zu schütteln. Zu fragen, wie es ihnen ging. Wie sich ihr Leben entwickelte. Was sie von den Änderungen hielten.
Aber das wäre zu schnell zu viel gewesen. Sie hätten sich in eingespielte Haltungen und Verhaltens-muster zurückziehen können. Nein, er musste es langsam beginnen, so wie die Genesung seines bis an den Rand des Möglichen belasteten Körpers.
Er saß in dem vertrauten, quietschenden Sessel und ballte die Faust. Spürte, wie sich die Kanten des Würfels in den Handteller gruben. Ja, es gab eine Zeit für Eile und eine Zeit für Gelassenheit. Es war alles eine Frage der Dosierung. Und im Augenblick konnte er in jeder Hinsicht etwas mehr Ruhe gebrauchen.
Er öffnete einen Finger der Faust nach dem anderen. Eine Frucht, die ihr köstliches Fruchtfleisch offenbarte. Ein heftiges Déjà-vu erfasste ihn, und er erwartete, dass sich die Luke öffnete und ein grinsender, sarkastischer Jesup ihn über den Verlauf der Reparaturen an der Sternenmotte informierte.
Petr fühlte einen Schmerz tief in seinem Innern. Wusste, dass weder diese lachenden Augen noch auch nur ihr genetisches Erbe jemals wieder irgendjemanden aufheitern würden. Wusste, dass dieser Schmerz - im Gegensatz zu dem der zerfetzten Muskeln und Bänder seiner Schulter - niemals vergehen würde. Diese Narbe würde er sein ganzes Leben lang tragen, eine konstante Erinnerung an sein Versagen.
Eine Warnung, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen.
Petr zog das Lesegerät heran und stellte es auf den Bericht, den er gestern vom ilKhanat erhalten hatte. Er wurde aufgefordert, vor dem Khan zu erscheinen. Ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, interessierte ihn eigentlich nicht. Er erfüllte seine Pflicht dem Clan gegenüber und hatte keinen Bedarf nach einer Belohnung oder Sonderbehandlung. Im Gegenteil, beinahe hoffte er auf eine Bestrafung. Für die Leben, die er vergeudet hatte, die Möglichkeiten, die dem Clan durch ihn entgangen waren.
Die verlorenen Freunde.
Mit einem müden Seufzen, das mit jedem Tag weniger verbittert und eher nostalgisch wurde, steckte er den Würfel in das Gerät. Das warme Summen stellte die Härchen auf seiner rechten Hand auf. Einen Moment lang schmeckte er Ozon, als die Maschine rauschte und knisterte, bevor sich das Bild formte.
Wurde der Wartungsdienst nachlässig? Er grinste, bevor die vertraute Wut auch nur anklingen konnte.
Oder habe ich vergessen, eine Wartung zu beantragen?
Rauchgraue Augen verschlangen ihn und eine kehlige Stimme trug ihn davon.
»He, Schätzchen, du weißt aber wirklich, wie man ein Mädchen verunsichert. Eben reden wir noch
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