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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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das erste Opfer«, sagte Harper. »Die Erste hat er sich vermutlich aufs Geratewohl ausgesucht. Damit wollte er uns nur in die Irre führen. Und auch nicht auf die Zweite. Mit ihr wollte er zeigen, dass es sich um einen Serientäter mit einer typischen Handschrift handelt.«
    »Ganz meine Meinung«, entgegnete Reacher. »Mit Callan und Cooke wollte er lediglich von sich ablenken. Seine wahren Motive verschleiern.«
    Harper nickte. Schwieg dann eine ganze Weile. Sie hatte unterdessen ihren Platz gewechselt und fläzte sich jetzt auf der gegenüberliegenden Sitzreihe der leeren Maschine. Es war ein eigenartiges Gefühl. Vertraut und dennoch fremd. Rundum nichts als freie Sitze, alle in der gleichen Farbe.
    »Aber allzu lange möchte er auch nicht warten«, erklärte Harper. »Wenn er es auf ein bestimmtes Opfer abgesehen hat, will er zuschlagen, bevor etwas auffliegt, stimmt’s?
    »Ganz meine Meinung«, wiederholte Reacher seine Worte.
    »Also handelt es sich um Opfer Nummer drei oder vier.«
    Reacher nickte, sagte aber nichts.
    »Aber welches genau?«, fragte Harper. »Was ist der Schlüssel.«
    »Alles zusammen«, antwortete Reacher. »Genau das, was uns von Anfang an beschäftigt hat. Die Hinweise. Die geografische Lage der Tatorte, die Farbe, dass er offenbar keinerlei Gewalt anwendet.«
     
    Das Mittagessen bestand aus einem runzligen Apfel und einem Stück Schweizer Käse, denn viel mehr hatte ihr Kühlschrank nicht zu bieten. Sie legte beides auf einen Teller, damit zumindest nach außen hin ein gewisser Anschein von Ordnung gewahrt wurde. Anschließend spülte sie den Teller ab, stellte ihn wieder in den Geschirrschrank, ging durch den Flur und schloss die Haustür auf. Stand einen Moment lang in der Kälte, lief dann den Fußweg hinab zur Auffahrt und zum Polizeiwagen. Der Cop sah sie kommen und ließ sein Fenster herunter.
    »Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen«, begann sie so liebenswürdig, wie sie nur konnte. »Ich hätte das nicht sagen dürfen. Es ging mir nur ein bisschen auf die Nerven, das ist alles. Natürlich dürfen Sie jederzeit reinkommen, wenn Sie müssen.«
    Der Polizist starrte sie leicht verdutzt an, als dächte er insgeheim: Frauen! Sie lächelte, zog die Augenbrauen hoch und legte den Kopf zur Seite, als wollte sie ihrer Einladung Nachdruck verleihen.
    »Na ja, dann komm ich gleich rein«, erwiderte der Polizist, »wenn Sie meinen, dass das klargeht.«
    Sie nickte und wartete, bis er ausgestiegen war. Sie bemerkte, dass er das Fenster auf der Beifahrerseite offen ließ. Wenn er zurückkam, war es vermutlich kalt im Wagen. Er
hastete hinter ihr her, als sie den Fußweg hinaufging. Der arme Kerl muss völlig verzweifelt sein, dachte sie.
    »Sie kennen ja den Weg«, sagte sie.
    Sie wartete in der Diele. Er wirkte erleichtert, als er aus der Toilette trat.
    »Sie können jederzeit hereinkommen«, sagte sie. »Klingeln Sie einfach.«
    »Okay, Ma’am«, entgegnete er. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Es macht mir nichts aus«, beteuerte sie. »Ich bin Ihnen sehr dankbar für alles, was Sie für mich tun.«
    »Dazu sind wir schließlich da«, sagte der Polizist schüchtern, aber auch ein wenig stolz.
    Sie schaute ihm nach, als er zu seinem Wagen zurückging. Sperrte die Tür wieder ab und begab sich in den Salon, wo sie einen Moment verharrte und den Flügel betrachtete. Sie beschloss, noch eine Dreiviertelstunde zu üben. Vielleicht auch eine Stunde.
     
    Schon besser. Und es könnte genau der richtige Zeitpunkt gewesen sein. Hundertprozentig sicher bist du dir allerdings nicht. Du kennst dich zwar mit allerhand Sachen aus, aber du bist kein Urologe. Du beobachtest ihn, als er zu seinem Wagen zurückkehrt, und kommst zu dem Schluss, dass er zu jung für Prostatabeschwerden ist. Folglich kommt es nur darauf an, wie dringend er muss und inwieweit er sich beherrscht, weil er sie nicht zu oft behelligen will. Jetzt ist es halb drei, also dürfte er bis acht vermutlich noch mindestens zweimal zur Toilette gehen. Vermutlich einmal vorher und einmal, nachdem sie tot ist.
     
    Über North Dakota rissen die Wolken auf, so dass der Boden zu sehen war, der rund zwölfhundert Meter unter ihnen lag. Der Kopilot kam wieder nach hinten in die Kabine, deutete nach unten, auf seinen Geburtsort. Eine Kleinstadt
südlich von Bismarck, durch die wie ein dünner Silberfaden der Missouri floss. Dann verzog er sich wieder ins Cockpit, während Reacher einmal mehr über die Geheimnisse der Navigation

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