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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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preschte an dem stehenden Verkehr auf dem Highway vorbei. Das Bankett war holprig und voller Splitt und Müll. Die Reifen der Neunachser, die sie links überholte, waren höher als der Wagen.
    »Was für Fehler?«, fragte sie. »Was für falsche Vermutungen?«
    »Sehr, sehr sonderbare, den Umständen entsprechend«, erwiderte er. »Aber es ist nicht allein unsere Schuld. Ich glaube, wir haben auch ein paar saftige Lügen präsentiert bekommen.«
    »Was für Lügen?«
    »Große, gewaltige, geradezu atemberaubende Lügen«, erwiderte er. »So groß und nahe liegend, dass niemand dahinter gekommen ist.«
     
    Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen, nachdem der Polizist wieder weg war. Ständig ging er hier
ein und aus, den ganzen Tag lang, so dass sie sich kaum konzentrieren konnte. Wenn man dieses Stück anständig spielen wollte, musste man sich in eine Art Trance versetzen. Und dieser verdammte Polizist störte sie ununterbrochen.
    Sie setzte sich hin und spielte es erneut, zehn-, fünfzehn-, zwanzigmal, vom ersten bis zum letzten Takt. Sie traf jeden Ton, aber das hatte nichts zu sagen. Was bedeutete dieses Stück? Steckten verborgene Gefühle darin? Gedanken? Alles in allem war das doch anzunehmen. Sie spielte es noch einmal, ein zweites Mal. Sie lächelte vor sich hin. Sah ihr Gesicht, das sich auf dem glänzend schwarzen Klavierdeckel spiegelte. Sie machte Fortschritte. Jetzt musste sie nur noch ein wenig schneller werden. Aber nicht zu sehr. Sie spielte Bach lieber etwas langsamer. Zu viel Tempo bekam ihm nicht, dann wurde er seicht und gefällig. Obwohl es sich im Grunde genommen um gefällige Musik handelte. Doch genau das ist ja bezeichnend für Bachs Raffinesse, dachte sie. Er hat bewusst gefällige Musik komponiert, die aber förmlich danach verlangt, dass man sie ernst und feierlich spielt.
    Sie stand auf und reckte sich. Klappte den Klavierdeckel zu und ging hinaus in den Flur. Jetzt war Mittagessenszeit. Sie musste sich regelrecht dazu zwingen, etwas zu sich zu nehmen. Vielleicht ging das jedem Menschen so, der allein lebte. Einsame Mahlzeiten machten nicht viel Spaß.
    Auf dem Parkettboden im Flur sah sie Fußabdrücke. Große, schmutzige Abdrücke. Der verdammte Polizist verdarb einfach alles. Erst störte er sie beim Üben, dann verschmutzte er ihren auf Hochglanz gebohnerten Boden. Und während sie noch darauf starrte und die ganze Schweinerei betrachtete, klingelte es an der Tür. Der Trottel war schon wieder da. Was, zum Teufel, war mit dem los? Hatte er etwa eine schwache Blase? Sie ging um die Abdrücke herum und öffnete die Tür.«
    »Nein«, sagte sie.
    »Was?«
    »Nein, Sie können nicht mehr bei mir auf die Toilette gehen. Ich hab es satt.«
    »Gute Frau, ich muss aber«, entgegnete er. »Das war doch so abgesprochen.«
    »Tja, dann habe ich es mir eben anders überlegt«, versetzte sie. »Ich möchte nicht, dass Sie ständig hier reinkommen. Es ist lächerlich. Sie treiben mich zum Wahnsinn.«
    »Ich muss aber hier auf Posten bleiben.«
    »Es ist lächerlich«, wiederholte sie. »Sie müssen mich nicht beschützen. Verschwinden Sie einfach, ja?«
    Sie schlug die Tür zu. Schloss sie ab und ging in die Küche. Atmete tief durch.
     
    Du beobachtest alles ganz genau. Er steht auf der Veranda, wirkt zunächst ein bisschen verdutzt. Dann etwas missmutig. An seiner Haltung kannst du es genau erkennen. Er sagt drei Sätze, steht leicht nach hinten gebeugt da, so als müsste er sich verteidigen. Und dann schlägt sie ihm offenbar die Tür vor der Nase zu, denn er weicht jäh zurück. Er wirkt betroffen, steht reglos da und starrt vor sich hin, dreht sich dann um und läuft wieder den Fußweg hinab, auf dem er zwanzig Sekunden zuvor gekommen war. Was soll denn das?
    Er geht um die Motorhaube seines Wagens herum und öffnet die Tür. Steigt aber nicht ein. Er hockt sich nur schräg auf den Sitz, hat die Beine aber draußen, beugt sich hinüber und greift zum Mikrofon seines Funkgeräts. Hält es dreißig Sekunden lang in der Hand und denkt nach. Dann steckt er es in die Halterung zurück. Offensichtlich will er keine Meldung machen. Hat vermutlich keine Lust, dem Sergeant Bescheid zu sagen, dass sie ihn nicht mehr pinkeln lassen will. Und was macht er nun? Ändert sich dadurch etwa alles?
     
    Sie fuhren fast die ganze Strecke bis zur Andrews Air Force Base auf dem Seitenbankett und fädelten sich nur auf die
rechte Spur ein, wenn es nötig war. Der Stützpunkt selbst wirkte wie eine

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