Zeit der Sinnlichkeit
Gefallen erwiesen, Merivel?«
»Ja, Sir.«
» Voilà! Ihr schuldet mir zum mindesten diesen einen. Und ich werde mich dafür erkenntlich zeigen. Ich habe vor, Euch den Hosenbandorden zu verleihen, so daß Eure Braut einen Titel bekommt, wenn auch einen bescheidenen. Und kleine, aber annehmbare Besitztümer in Norfolk, die ich einem aufsässigen Gegner der Monarchie abgenommen habe. Also, Sir
Robert, erfüllt Eure Pflicht ohne Zögern und ohne weitere Einwände.«
Ich sank auf die Knie. Wir waren im königlichen Schlafgemach, und aus dem angrenzenden Arbeitszimmer kam das uneinheitliche Ticktack und Anschlagen der Uhren, das in diesem Augenblick genau meine eigenen wirren Gedanken widerspiegelte.
»Nun?« fragte der König.
Ich sah auf. Des Königs Antlitz schaute freundlich auf mich herab, und seine Finger streichelten über seinen dunkelbraunen Schnurrbart.
»Wen …?« stammelte ich.
Der König lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. »Ach ja. Die Braut. Celia Clemence, natürlich.«
Meine Knie, auf denen mein Gewicht balancierte, fingen zu zittern an und gaben dann unter mir nach. Ich fiel seitwärts auf den Teppich. Ich hörte den König leise lachen.
»Das bedeutet natürlich, daß Ihr – und vielleicht auch Celia Clemence – einige Zeit in Norfolk verbringen müßt, so daß ich dann und wann auf die Gesellschaft des einen oder anderen von euch verzichten muß. Aber ich bin bereit, dieses Opfer zu bringen.«
Ich versuchte mich aufzurichten, aber mein linkes Knie war plötzlich taub geworden und trug mich nicht, so daß mir nichts anderes übrigblieb, als zusammengekrümmt wie ein Kind im Mutterleib neben der königlichen Fußbank liegenzubleiben.
»Ich brauche keine weiteren Erklärungen abzugeben, nicht wahr, Merivel?«
»Nun, Sir …«
»Doch? Ihr überrascht mich. Ich hielt Euch für einen der bestinformierten Leute bei Hofe.«
»Nein, es ist bloß so … das Ganze ist … für mich etwas schwer zu begreifen.«
»Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum. Es ist doch kinderleicht, Merivel. Das häufige Verweilen von Celia Clemence in meinem Bett ist mir unentbehrlich geworden. Wie jedermann weiß, hat sie mich richtiggehend betört. Doch meine grand amour , Barbara Castlemaine, ist auch unabdingbar für die Erhaltung meiner Gesundheit und meines Wohlbefindens. Kurzum, ich liebe und brauche beide Mätressen, habe aber keine Lust, weiter Lady Castlemaines Szenen im Hinblick auf Miss Clemence zu ertragen. Sie machen mich nervös und verstimmen mir den Magen. Deshalb muß Celia sofort verheiratet werden – weil ich dann um so besser heimlich, ohne Wissen Lady Castlemaines, mit ihr zusammensein kann. Aber mit wem soll ich sie verheiraten? Doch wohl nicht mit einem mächtigen Aristokraten, der mich bald zutiefst verärgern wird, indem er an seine eigene Stellung und Ehre denkt? Nein. Ich suche für Celia einen Mann, der sich über sein Anwesen und seinen Titel freuen und Nutzen daraus ziehen wird, der seiner Braut bei den seltenen Anlässen, bei denen er mit ihr zusammensein wird, auf nette und amüsante Art Gesellschaft leistet, der aber viel zu sehr von den Frauen im allgemeinen angetan ist, als daß er den Fehler begehen würde, eine einzige zu lieben. Mit Euch, Merivel, habe ich bestimmt die einzig richtige Wahl getroffen. Nicht wahr? Ihr habt auch, wie ich zu meiner Freude feststellen konnte, einen hübschen, zeitgemäßen Namen. So glaube ich, daß ich Celia mit Gleichmut bitten kann, Lady Merivel zu werden – natürlich nur dem Namen nach.«
Jetzt war es also ausgesprochen: der fünfte Anfang.
Die Hunde sollten aus meiner Obhut genommen werden, und an ihre Stelle sollte die jüngste der Mätressen des Königs treten. Der praktische Aspekt, der mich aber am meisten beschäftigte, als ich die königlichen Gemächer verließ, war der, daß ich mich nicht erinnern konnte, wie weit entfernt und in welcher Richtung (ob nordöstlich oder nördlich) von London die Grafschaft Norfolk lag.
Hochzeitsspiele
N ach alter Sitte mußte meine künftige Braut am Abend vor der Hochzeit zusammen mit ihren Brautjungfern im Hause ihres Vaters eingesperrt werden. Ich würde dann am Morgen (von dem recht bescheidenen Gasthaus aus, in dem ich die Nacht zum sechsten Juni verbringen mußte) zu ihr hinreiten, wobei das ganze Dorf, aufgeputzt mit selbstgefertigten Strumpfbändern, Liebesknoten, Bändern und sonstigem närrischen Krimskrams, kreischend vor mir
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