Zeit der Sinnlichkeit
herrennen und dabei Flöte und Viola spielen und das Tamburin schlagen würde. Ich freute mich darauf, denn ich giere nun mal nach Narretei, und so ein lautstarker Festzug war ganz nach meinem Geschmack.
Ich freute mich auch darauf, meine Hochzeitskleider anzulegen, die der König selbst ausgewählt und sein persönlicher Schneider angefertigt hatte: ein vortreffliches weißes Seidenhemd, eine purpurne Schärpe, eine weiß-golden gestreifte Kniehose, weiße Strümpfe, purpurne Schuhe mit goldenen Spangen, ein schwarzer, brokatbesetzter Gehrock und ein purpur-schwarzer Hut mit so wunderschönen weißen Federn, daß es von der Ferne aussah, als trüge ich eine Dreimastbarke auf dem Kopf.
Natürlich hatte ich Pearce zur Hochzeit eingeladen, doch er wollte, sehr zu meinem Verdruß, nicht kommen. Ich hätte es gern gehabt, wenn er mich in meinem Gewand gesehen hätte. Ich kann nur annehmen, daß er nicht aus Neid oder anderen niederen Beweggründen abgesagt hatte, sondern weil er befürchtete, daß mein Anblick sein Blut zum Stocken brin
gen könnte, was ihn auf grausame Art von seinem Mentor, dem verstorbenen William Harvey, getrennt hätte, der als erster erkannt hatte, daß sich das Blut in einem Kreislauf bewegt, das Herz verläßt, um über die Lungenvenen wieder zurückzukommen. »Es vergeht kein Tag«, sagte Pearce einmal zu mir, »an dem ich WH nicht in mir spüre.« (Pearce neigt sehr zu solchen metaphysischen Äußerungen, doch meine Zuneigung zu ihm macht mich diesen gegenüber nachsichtig.)
Dem Vater meiner Braut, Sir Joshua Clemence, hatte ich Mitte April einen Besuch abstatten müssen, um ihn um die Hand seiner Tochter zu bitten. Der König war wohl schon vorher bei ihm gewesen, um sich für mich als einen Mann von Ehre, Begabung und Wohlstand zu verbürgen, den Besitzer des Landsitzes Bidnold in Norfolk, der nur von dem einen Wunsch beseelt sei, seine Tochter in jeder Hinsicht glücklich und zufrieden zu machen.
So kam es, daß mich Sir Joshua Clemence mit großem Wohlwollen empfing, mir Sherry einschenkte und kaum zuckte, als ich ein wenig davon auf die seidenbespannten Armlehnen meines Stuhles verschüttete. Er versicherte mir, daß es für ihn nur des Königs Wort bedurfte, um das Schicksal seiner hübschen Tochter in meine Hand zu legen. Ich bin mir nicht sicher, ob Sir Joshua zum Zeitpunkt der Hochzeit schon wußte, daß Celia die Mätresse des Königs war. Ich vermute jedoch, daß er im Bilde war und sich dadurch geschmeichelt fühlte. Denn der König hat in dieser Welt eine ähnliche Bedeutung wie Gott, ja, wie der Glaube selbst. Er ist ein Born der Schönheit und Macht, nach dem wir uns alle sehnen, um etwas Kühlung für unsere glühendheißen Herzen zu bekommen. Sir Joshua machte auf mich den Eindruck eines intelligenten und in jeder Hinsicht vornehmen Mannes, aber selbst
er bekam vor Freude hektische, rote Flecken auf den Wangen, als er hörte, daß der König zur Hochzeit kommen werde. Er erzählte mir, daß seine große Liebe der Musik gehöre, und besonders dem Viola-da-Gamba-Spiel. »Nun«, meinte er verzückt, »werde ich auf der Hochzeit meiner Tochter spielen, und damit wird auch mein langgehegter Wunsch in Erfüllung gehen, daß der König nach seiner Wiedereinsetzung einmal meinem Spiel lauscht.«
Mit Celia hatte ich vor der Hochzeit ein halbes Dutzend Besprechungen, alle unter dem Vorsitz des Königs, den meine Braut (wie auch rund um London geklatscht wurde) so sehr zu lieben schien, daß sie ihre haselnußbraunen Augen kaum von ihm wenden konnte. Ich fühlte mich bei diesen Treffen recht überflüssig, war jedoch zu gefesselt von den Landkarten von Norfolk, die der König hervorholte, um mir darauf Bidnold Manor mit seinen Ländereien zu zeigen, als daß ich diesem Gefühl gestattet hätte, mir Unbehagen zu bereiten.
Die kurzen Blicke, die ich mir auf meine Braut erlaubte, bestätigten, daß sie eine hübsche Frau von ungefähr zwanzig Jahren mit zarten Gesichtszügen war. Ihre Haut war blaß und vollkommen ohne Makel, und sie hatte winzige Hände. Ihr Haar war von einem hellen Braun und wurde von Bändern zurückgehalten, um dann in Korkenzieherlocken über ihre Schultern zu wallen. Ich bemerkte, daß ihre Brüste klein und ihre Füße schmal waren. Ihr Gesichtsausdruck war, wie der ihres Vaters, von bewundernswerter Gelassenheit. So konnte ich wohl bestätigen, daß sie eine stille Schönheit war, doch zu meiner großen Erleichterung war sie als Frau ganz und gar nicht nach
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