Zeit der Sinnlichkeit
unglückseligerweise das Sommerhaus sein wird. Am Nachmittag male ich Russen. Für den Abend werde ich mir eine Belustigung ausdenken, ein paar Musiker anheuern und Mister James de Gourlay (»Monsieur Dégueulasse«, für den ich, da sich die Gesellschaft wegen seiner Großmannssucht über ihn lustig macht, nun eine gewisse brüderliche Zuneigung empfinde), seine Frau und seine Töchter zum Essen und zum Tanz einladen. Ich werde Celia reichlich Champagner einschenken, in der Hoffnung, daß sie davon freundlicher wird.
Mit dem heranrückenden Tag ist das Wetter sehr schön geworden, und die heitere Sonne hat den feinen Rauhreif des Morgens zu Diamanten geschliffen. Es ist sehr angenehm, mit dem Musikmeister im Park spazierenzugehen und zu hören, daß er meinem Plan zustimmt, demzufolge wir beide uns, während Celia für das Portrait sitzt, an einen Ort zurückziehen, wo man uns nicht hören kann (ich hatte den Keller vorgeschlagen, doch Hümmel hat eine tödliche Angst, dort eine Ratte zu Gesicht zu bekommen, weswegen wir uns auf das Sommerhaus geeinigt haben), und daß er mich so im Verborgenen lehrt, mein Instrument zu beherrschen. Ich habe ihm eingeschärft, daß wir nicht viel Zeit haben, da ich davon ausgehe, daß meine Frau noch vor Beginn des Frühjahrs nach London zurückkehren wird. »Doch es ist mein sehnlichster Wunsch«, erklärte ich ihm, »daß ich sie, bevor ich sie verliere und monate-, ja vielleicht jahrelang nicht wiedersehe, bei einem ihrer Lieder – mit einem will ich mich schon zufriedengeben – perfekt begleiten kann. Wenn Ihr mir dazu
verhelft, Herr Hümmel, dann will ich Euch ewig dankbar sein.«
Der Musikmeister musterte mich von oben bis unten, als hoffe er, irgendwo an meiner nicht sehr vielversprechenden Person einen, wenn auch unendlich kleinen Beweis meiner Musikalität zu finden. Da er keinen fand, war er wenigstens so höflich zu lächeln (während der ungehobelte Finn nur spöttisch gegrinst hätte); er versprach mir zu tun, was er konnte. Ich sehe nun, daß mein erster Eindruck von ihm richtig war: Er ist ein redlicher und angenehmer Mann, wie man es bei einem Freund von Sir Joshua ja auch nicht anders erwarten konnte. Und so denke ich nun über den Wahrheitsgehalt meiner eigenen Worte Celia gegenüber nach. Lehrt die Musik wirklich Weisheit? Kultiviert sie die Seele? Wenn alle Männer und Frauen Englands die Saiten zupften und in das Rohrblatt bliesen, würde diese Nation dann ruhiger werden und zufriedener in sich selbst ruhen?
Dies ist nun die Nacht nach dem 27. Januar 1665, meinem achtunddreißigsten Geburtstag, und ich will Euch von einigen beunruhigenden Ereignissen an ihm erzählen.
Der Tag begann nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich lag nicht den halben Morgen mit sportlich-fidelen Träumen unter meinem türkisfarbenen Baldachin, sondern stand früh auf und ertappte mich bei der Frage, ob ich wohl irgendwelche Geschenke zu erwarten hatte. Ich freue mich wie ein Kind über Geschenke, wie unbedeutend sie auch sein mögen, und empfinde dem Schenkenden gegenüber stets große Dankbarkeit. Der Gedanke, daß der Tag vielleicht vorübergehen würde, ohne daß ich überhaupt ein Geschenk bekam, bedrückte mich nicht wenig. In solchen Augenblicken der
Niedergeschlagenheit sehne ich mich nicht nur danach, den König zu sehen , sondern der König zu sein , wie er von Leuten umgeben zu sein, die sich herbeidrängen, um ihm ihre Gaben zu Füßen zu legen.
Da ich wußte, daß dies äußerst dumme Gedanken waren, stand ich auf, wusch mir Augen und Gesicht, zog einen brokatbesetzten Morgenmantel über und ging zu meiner Küche hinunter, wo ich mir gelegentlich aus Spaß eine so einfache Mahlzeit zaubere, wie ich sie mir einst auf dem Ofen meines Zimmers in Ludgate zubereitet habe. So bestand mein Frühstück an diesem Tag aus einem Teller Eier, die ich mit Sahne verfeinert hatte und auf die ich dann noch ein paar gesalzene Sardellenfilets legte – eine wirklich ausgezeichnete Erfindung, die ich mir direkt am Küchenherd einverleibte.
Will Gates traf mich dort an und teilte mir mit, daß ein Fuhrmann aus London eingetroffen sei, der »eine Menge Pelze« bringe, was natürlich die Überwürfe sein mußten, die der alte Trench aus Dachsfellen gefertigt hatte. Insgesamt waren es zehn, jeder sehr sorgfältig genäht, mit Dachsschnauzen, die auf den Schultern emporragten, und einer Reihe von Schwänzen, die unten am Saum einen schwarzen Rand bildeten. Nachdem ich sie
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