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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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begutachtet hatte (Trench hatte, wie von mir angewiesen, einen guten Wollstoff fürs Futter verwendet), überredete ich Will, seinen Überwurf einmal anzuziehen. Er wehrte sich zunächst dagegen und sagte, daß er in einem solchen Kleidungsstück nicht wendig genug sei und nicht arbeiten könne. »Will«, sagte ich, »sei nicht bockig. Sie sind so entworfen worden, daß sie die Gliedmaßen frei und beweglich lassen.« Leider sah Will jedoch wirklich etwas unbeholfen und behindert in seinem Überwurf aus. Er ist ein sehr kleiner, dünner Mann, und das Kleidungsstück
schien zu weit und zu lang für ihn zu sein, so daß die Dachsschwänze über den Boden schleiften und die Dachsschnauzen etwas traurig von seinen Schultern hingen. Ich konnte meine Heiterkeit nicht ganz verbergen.
    »Nun, Will«, sagte ich, »dein Überwurf wird wohl geändert werden müssen.«
    »Diese Ausgabe könnt Ihr Euch sparen, Sir«, sagte Will und zog ihn über seinen harten kleinen Kopf wieder aus, »denn ich werde ihn nicht tragen.«
    »Du wirst ihn tragen«, erklärte ich. »Alle in diesem Haus werden die Überwürfe bis zum Frühjahr tragen, wodurch wir Erkältungen, Fieber und dergleichen Leiden fernhalten werden.«
    »Vergebt mir, Sir Robert«, sagte Will, »aber ich nicht.«
    »Auch du, Will«, sagte ich schwach, denn war ich auch der Herr in diesem Hause und Will ein ausgezeichneter Diener, so konnte ich doch klar sehen, daß in diesem Punkt ein Konflikt zwischen uns in der Luft lag.
    Nachdem ich mich angezogen und meinen eigenen Überwurf angelegt hatte, machte ich mich auf die Suche nach dem Musikmeister, dem ich anbieten wollte, ihm für unsere kühlen Stunden im Sommerhaus einen solchen zu leihen. Ich gebe zu, daß der Überwurf etwas schwer ist, doch er spendet dem Körper eine unmittelbare und angenehme Wärme. Außerdem sehe ich fremdländisch darin aus, so daß ich nur noch einen bizarren Hut oder einen Pelzkopfschmuck bräuchte, um den Russen meiner Träume recht ähnlich zu werden. Und dann kam mir ein neckischer Gedanke: Würde der König nicht an einem solchen Kleidungsstück Gefallen finden? Sollte ich es wagen, an diesem meinem Geburtstag, an dem ich, wie es aussah, kein Geschenk bekommen würde, einen
Überwurf nach Whitehall zu schicken? Würde durch meine Phantasie dann vielleicht eine neue Mode am Hofe kreiert werden? Wie wunderbar wäre es doch, wenn Celia bei ihrer Rückkehr dorthin alle Gecken und Galane mit Dachspelzen behängt und den Worten » tablier Merivel « auf den lachenden Lippen vorfinden würde!
    Ich beschloß, die Angelegenheit noch einmal gründlich zu überdenken (der König hatte mir das Chirurgiebesteck geschickt; würde er mir ein Gegengeschenk übelnehmen?), nahm meine Oboe und ging zu Herrn Hümmels Zimmer, von wo aus wir uns, ohne daß uns jemand sah, auf den Weg zum Sommerhaus machten.
    Das war nun wirklich ein kalter und unfreundlicher Ort! Die Fenster waren mit Spinnweben vergittert, und auf dem Boden lagen so viele Daunenfedern, daß man meinen konnte, ein Taubenjunges sei in diese bescheidene Behausung geflogen und mitten in der Luft zerborsten. Ich entschuldigte mich bei Herrn Hümmel, der klugerweise den Überwurf angezogen hatte, wies darauf hin, daß es hier im Sommer sehr hübsch sei, und gab meiner Hoffnung Ausdruck, daß er mich in dieser freundlicheren Jahreszeit auch einmal besuchen würde. Er dankte mir und meinte, wir sollten sofort mit dem Unterricht beginnen, bevor unsere Finger gefühllos würden. Er bat mich, ihm zunächst ein paar Tonleitern vorzuspielen und danach »ein kleines Stück Eurer Wahl«. Das konnte nur Alle Schwäne schwimmen nun sein, da es das einzige war, das ich vom Anfang bis zum Ende ohne Fehler spielen konnte.
    Er hörte zu. Sein Gesicht verriet weder Verachtung noch Erschrecken. Erst als ich fertig war, erlaubte er sich die Andeutung eines Seufzers. »Nun gut«, sagte er. »Ich glaube, wir
müssen noch einmal von vorn anfangen. Ihr habt Euch das selbst beigebracht, nehme ich an?«
    »Ja, vollkommen.«
    »Leider ist die Fingertechnik unelegant, Sir Robert, und Eure Lippen liegen zu fest um das Rohrblatt. Ihr müßt in das Rohrblatt flüstern, wißt Ihr. Ihr sollt es nicht küssen und auch nicht an ihm saugen.«
    »Aha.«
    »Doch ich denke, Ihr werdet das schnell lernen. Ihr seid ja sehr lerneifrig.«
    »Ja. Das bin ich.«
    »Gut!«
    Daraufhin nahm mir Herr Hümmel freundlich mein Instrument aus der Hand, blies meine Spucke weg und hob es an seinen eigenen

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