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Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)

Titel: Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Zusammenarbeit mit dem undurchsichtigen Conte Colalto vorwarf und fahrlässigen Umgang mit der Camorra? Ob er darunter litt, dass der Commissario ihn seitdem nur noch selten besuchte? Obwohl Fernando Guerrini nächtelang an Angelos Bett gesessen hatte, als sein Sohn im Koma lag?
    Ich sollte ihn danach fragen, dachte Guerrini. Ich sollte ihm überhaupt eine Menge Fragen stellen. Ich sollte es mit ihm austragen, und wenn wir uns prügeln. Wir lassen uns alle gegenseitig viel zu viel durchgehen, ersticken lieber am Schweigen über die wichtigen Dinge, drängen sie weg, obwohl sie uns unterschwellig doch Tag und Nacht beschäftigen. Reden übers Wetter oder die permanente Krise, über die Regierung – über die Politiker kann man sich ja ständig aufregen. Und dann sitzen wir nachts einsam an einem Küchentisch und trinken oder schauen aus dem Fenster und sehen jemandem beim Trinken zu, wie ich es gerade mache.
    Morgen werde ich mich bei meinem Vater zum Essen einladen, er kocht so gern. Ich war lange nicht mehr bei ihm zum Abendessen. Dann essen und trinken wir, und danach schaffen wir vielleicht den nächsten Schritt. Vielleicht.
    Guerrini aß den Rest seines Käsebrots, leerte das Glas Mineralwasser und ging wieder ins Bett. Auf seinem Nachttisch lag das Buch von Roberto Benigni über Dantes Göttliche Komödie . Laura hatte es ihm geschenkt. Zur Aufmunterung.
    Es hatte ihn wirklich aufgemuntert, es hatte ihn sogar zum Lachen gebracht und jede Menge Erinnerungen geweckt. Ihm war es ganz ähnlich ergangen wie dem Komiker Benigni – auch seine Mutter hatte ihn ständig ermahnt, die Verse der Göttlichen Komödie auswendig zu lernen, genau wie seine Lehrer. Dante und die Toskana gehörten einfach zusammen; wer nicht in der Lage war, Dante zu zitieren, der war kein Toskaner. Guerrini erinnerte sich daran, dass er Laura einst die ersten Verse der «Hölle» zitiert hatte, damals kannten sie sich kaum, und er hatte ein bisschen mit seiner Bildung geglänzt. Jetzt versuchte er es wieder, für sich allein, im Dunkeln. Er räusperte sich und hörte sich selbst zu:
Als ich auf halbem Weg stand unsres Lebens,
Fand ich mich einst in einem dunklen Wald,
Weil ich vom rechten Weg verirrt mich hatte;
 
Gar hart zu sagen ist’s, wie er gewesen,
Der wilde Wald, so rau und dicht gewachsen,
Dass beim Gedanken sich die Furcht erneuet;
 
So herb, dass herber kaum der Tod mir schiene:
Doch eh vom Heil, das drin mir ward, ich handle,
Meld ich erst andres, was ich dort gewahrte …
    Weiter kam er nicht. Aber immerhin hatte er die ersten Verse noch halbwegs im Kopf. Und er erinnerte sich auch an einen Satz von Benigni: Dante ging es schlecht, wie uns allen … Guerrini lachte auf. Wahrscheinlich waren auch Dante in seinen Träumen fliegende Hunde erschienen, Grund dazu hätte er in jedem Fall gehabt, nachdem er aus Florenz verbannt und zum Tod durch Verbrennen verurteilt worden war. Deshalb wanderte er jahrelang durch den dunklen Wald, machte aus den fliegenden Hunden Wölfe und Leoparden und rächte sich mit Worten an seinen Verfolgern, indem er sie in die Hölle schickte und grausig folterte.
    Der Gedanke erheiterte Guerrini, außerdem hatte er den Eindruck, dass seine Narbe weniger schmerzte, seit er an Dante dachte. Er selbst war ja auch aus Florenz verbannt worden, weil er einigen Mächtigen zu genau auf die Finger geschaut hatte. Und es gab eine ganze Reihe von Leuten, die er gern in einer der Dante’schen Höllen wüsste.
    Er wünschte, Laura läge neben ihm und er könnte mit ihr sprechen. Über Dante und auch darüber, dass diesmal er sich verirrt hatte im dunklen Wald, sogar in die Arme seiner Exfrau Carlotta. Aber vermutlich würde er das niemals aussprechen, er würde es allerhöchstens in Verse fassen, die nur für ihn selbst bestimmt waren.
    Noch immer war er weit davon entfernt zu schlafen, und schließlich begann er, über den Fall des Bankiers Massimo nachzudenken, was er unbedingt hatte vermeiden wollen. Sah aus, als hätte auch der sich im dunklen Wald verirrt, und zwar gründlich. Wieder fielen ihm ein paar Zeilen der Höllengesänge ein, als kämen sie aus der Dunkelheit:
Doch werfe nun zu Tal den Blick, es naht
der blutge Strom, wo jeglicher muss sieden,
der durch Gewalttat andern Schaden zufügt.
 
O blinde Gier! O unverständig Wüten,
das uns so mächtig spornt im kurzen Leben
und dann im Ewgen so schnöd uns einweicht.
    Hieß es wirklich einweicht? Vielleicht täuschte er sich, aber es klang lustig, und es

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