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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sie schließlich und rieb sich die Augen. »Dann hätte ich ihn einen Monat nicht mehr füttern müssen.«
    Rakoczy entblößte die Zähne zu einer Miene, die man für ein Lächeln halten konnte.
    »Wir können nicht zulassen, dass Leopold Hunger hat«, sagte er. »Ich würde gern ein spezielles Arrangement für Madeleine treffen – das sollte den Wurm für einige Zeit satt machen, von vorn bis zu seinem gelben Hinterteil.«
    Fabienne ließ ihr Taschentuch sinken und betrachtete ihn neugierig.
    »Leopold hat zwar zwei Schwänze, aber ich kann nicht sagen, dass mir ein Hinterteil aufgefallen wäre. Zwanzig Écus am Tag. Und zwei extra, falls sie Kleider braucht.«
    Er winkte gelassen ab.
    »Ich hatte etwas Längeres im Sinn.« Er erklärte ihr sein Vorhaben und erlebte die Genugtuung zu sehen, wie Fabiennes Gesicht vor Erstaunen jeden Ausdruck verlor. Doch dies war nicht von langer Dauer; er war kaum fertig, als sie ihm auch schon ihre ersten Forderungen präsentierte.
    Bis sie sich geeinigt hatten, hatten sie eine halbe Flasche guten Wein getrunken, und Leopold hatte die Ratte verschlungen. Sie erzeugte eine kleine Auswölbung in der muskulösen Röhre des Schlangenkörpers, dessen Tempo sich dadurch jedoch kaum verlangsamte; Leopold schlängelte sich ruhelos über das bemalte Segelleinen des Fußbodens. Er glänzte wie Gold, und Rakoczy sah die Musterung seiner Haut wie eingesperrte Wolken unter den Schuppen.
    »Er ist wirklich ein schönes Tier, nicht wahr?« Fabienne sah seine Bewunderung und sonnte sich ein wenig darin. »Habe ich Euch je erzählt, woher ich ihn habe?«
    »Ja, nicht nur einmal. Und es waren dazu verschiedene Geschichten.« Sie sah verblüfft aus, und er presste die Lippen aufeinander. Er besuchte ihr Etablissement erst seit ein paar Wochen – diesmal. Auch vor fünfzehn Jahren hatte er sie aufgesucht – damals jedoch nur einige Male. Damals hatte er seinen Namen nicht genannt, und eine Bordellbesitzerin bekam so viele Männer zu sehen, dass es nicht sehr wahrscheinlich war, dass sie sich an ihn erinnerte. Allerdings hielt er es auch für unwahrscheinlich, dass sie sich die Mühe machte, sich zu merken, wem sie welche Geschichte erzählt hatte. So schien es tatsächlich zu sein, denn sie zog eine Schulter zu einem überraschend eleganten Achselzucken hoch und lachte.
    »Ja, aber diese hier ist wahr.«
    »Oh. Ja dann.« Er lächelte, griff in den Jutesack und warf Leopold eine weitere Ratte zu. Diesmal bewegte sich die Schlange langsamer und machte sich nicht die Mühe, ihre reglose Beute zu umschlingen. Sie enthakte einfach ihren Kiefer, um sich die Ratte zielsicher einzuverleiben.
    »Leopold ist ein alter Freund«, sagte sie und sah die Schlange voll Zuneigung an. »Ich habe ihn vor vielen Jahren von den Westindischen Inseln mitgebracht. Er ist ein Mystère , wisst Ihr.«
    »Nein, das wusste ich nicht.« Rakoczy trank noch etwas Wein, er saß jetzt lange genug hier, um sich wieder beinahe nüchtern zu fühlen. »Und was ist das?« Sein Interesse war echt, auch wenn es nicht der Schlange galt, sondern Fabiennes Erwähnung der Westindischen Inseln. Er hatte ganz vergessen, dass sie behauptete, vor vielen Jahren von dort gekommen zu sein, lange vor ihrer ersten Begegnung.
    Das Afile pulver hatte ihn bei seiner Rückkehr in seinem Laboratorium erwartet; unmöglich zu sagen, wie viele Jahre es schon dort stand – die Dienstboten konnten sich nicht daran erinnern. Mélisandes kurze Notiz – »Versucht das. Es könnte das sein, was der Frosch benutzt hat.« – hatte kein Datum getragen, doch am oberen Rand des Blattes hatte »Rose Hall, Jamaica« gestanden. Falls Fabienne noch Verbindungen zu den Westindischen Inseln unterhielt, vielleicht …
    »Manche nennen sie Loa .« Ihre faltigen Lippen spitzten sich bei diesem Wort zu einem Kussmund. »Doch das sind die Afrikaner. Ein Mystère ist ein Geist, ein Vermittler zwischen dem Bondye und uns«, erklärte sie ihm. »Die afrikanischen Sklaven sprechen sehr schlecht Französisch. Gebt ihm doch noch eine Ratte; er hat immer noch Hunger, und die Mädchen bekommen Angst, wenn ich ihn im Haus jagen lasse.«
    Auch die dritte Ratte malte sich als Auswölbung ab; allmählich sah die Schlange aus wie eine fette Perlenkette und schien sich zum Verdauen zur Ruhe legen zu wollen. Sie züngelte zwar immer noch, doch die Bewegung war jetzt träge.
    Rakoczy griff noch einmal nach dem Jutesack und wog die Risiken ab – doch wenn vom Hof der Wunder eine Nachricht

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