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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wie das Herz einer dunkelroten Rose von der Sorte, die man » Sang-de-Dragon « nannte. Vor einer Woche hatte sich ihr Inneres noch fest angefühlt, kompakt wie eine geballte Faust; jetzt wurde es allmählich weich, und eine kleine Höhlung entstand. Sie war fast bereit. Drei Tage noch?, fragte er sich. Vier?
    Er ließ sie los, und als sie einen hübschen Schmollmund zog, hob er lachend ihre Hand an die Lippen und spürte dieselbe Erregung wie damals, als er sie gefunden hatte, als auf seine Berührung hin das schwache blaue Leuchten zwischen ihren Fingern aufgestiegen war. Sie konnte es nicht sehen – ein anderes Mal hatte er ihr das Händepaar vor das Gesicht gehalten, und sie hatte nur eine verwunderte Miene gezogen –, doch es war da.
    »Holt uns doch etwas Wein, ma belle «, sagte er und drückte ihr sacht die Hand. »Ich muss mich mit Madame unterhalten.«
    Madame Fabienne war zwar nicht zwergenwüchsig, aber sie war klein, braun und gefleckt wie eine Kröte – und nicht minder wachsam, denn ihre runden gelben Augen blinzelten nur selten, und sie schlossen sich nie.
    »Monsieur le Comte«, sagte sie anmutig und wies kopfnickend auf einen Damastsessel in ihrem Salon . Es duftete nach Kerzenwachs und Menschenkörpern – Körper von deutlich besserer Qualität als jene, die am Hof der Wunder feilgeboten wurden. Dennoch, Madame entstammte diesem Hof und pflegte nach wie vor Verbindungen dorthin; sie machte kein Geheimnis daraus. Sie verzog zwar keine Miene, als sie seine Kleider sah, doch ihre Nasenlöcher weiteten sich, als hätte sie den Geruch der Spelunken und der Gassen gewittert, aus denen er kam.
    »Guten Abend, Madame«, sagte er. Er lächelte sie an und hob seinen Jutesack. »Ich habe ein kleines Geschenk für Leopold dabei. Falls er wach ist?«
    »Wach und übel gelaunt«, sagte sie mit einem neugierigen Blick auf den Sack. »Er hat sich gerade gehäutet – am besten vermeidet Ihr plötzliche Bewegungen.«
    Leopold war ein bemerkenswert schöner – und bemerkenswert großer – Python; ein Albino, eine große Seltenheit. Die Meinungen über seine Herkunft waren geteilt; die Hälfte von Madame Fabiennes Kunden glaubte, dass sie die Schlange von einem adligen Freier geschenkt bekommen hatte – manche sagten sogar, dem verstorbenen König persönlich –, den sie von der Impotenz geheilt hatte. Andere sagten, die Schlange sei einmal ein adliger Freier gewesen und hätte ihr die Zahlung für die geleisteten Dienste verweigert. Rakoczy hatte diesbezüglich seine eigenen Ansichten, doch er mochte Leopold, der normalerweise so zahm war wie eine Katze und manchmal kam, wenn man ihn rief – sofern man etwas in der Hand hatte, was er als Futter betrachtete.
    »Leopold! Monsieur le Comte hat einen Leckerbissen für dich!« Fabienne streckte die Hand nach einem großen Weidenkorb aus, klappte das Türchen auf und zog die Hand so schnell fort, dass er einen Eindruck davon bekam, was sie mit »übel gelaunt« meinte.
    Nahezu überstürzt kam ein gewaltiger gelber Kopf zum Vorschein. Schlangen hatten transparente Augenlider, doch Rakoczy hätte schwören können, dass die Schlange wütend blinzelte, während sie eine Schlinge ihres monströsen Körpers hob, bevor sie mit einer Geschwindigkeit, die für ein Tier dieser Größe erstaunlich war, aus dem Käfig schoss und über den Boden huschte. Ihre Zunge blitzte abwechselnd auf und verschwand wie die Nadel einer Näherin.
    Das Tier hielt geradewegs auf Rakoczy zu, das Maul weit aufgerissen, und Rakoczy riss den Jutesack hoch, just bevor Leopold versuchte, diesen – oder Rakoczy – am Stück zu verschlingen. Er fuhr mit einem Ruck zur Seite, packte hastig eine Ratte und schleuderte sie von sich. Leopold ließ eine Schlinge seines Körpers mit einem solchen Knall auf die Ratte fallen, dass Madame Fabiennes Löffel in ihrer Teetasse klapperte, und bevor die Anwesenden auch nur blinzeln konnten, hatte er die Ratte mit einem Halbschlagknoten umschlungen.
    »Nicht nur übel gelaunt, sondern auch hungrig, wie ich sehe«, stellte Rakoczy fest und bemühte sich um Gelassenheit. Tatsächlich standen ihm die Haare auf den Armen und im Nacken zu Berge. Normalerweise ließ sich Leopold beim Fressen Zeit, und es erschreckte ihn, den brutalen Appetit des Pythons aus nächster Nähe zu erleben.
    Fabienne lachte beinahe lautlos, und ihre schmalen, schrägen Schultern bebten unter ihrer grünen chinesischen Tunika.
    »Eine Sekunde lang dachte ich, er würde Euch fressen«, sagte

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