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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und eine fröhliche Miene aufsetzen, bis ihn eine unerwartete Kleinigkeit, ein Gefühlssplitter ins Herz traf wie der Pfeil eines Jägers, und sich dann hastig ein Versteck suchen, wo er sich dumpf vor Schmerz zusammenrollte, bis er sich wieder fing.
    Diesmal war es Madames Bemerkung gewesen, die aus heiterem Himmel über ihn gekommen war, und er verzog schmerzvoll das Gesicht und lachte trotz der Tränen, die ihm über das Gesicht liefen, weil er an Lillie denken musste – damals, als sie Aale mit Knoblauchsoße zu Abend gegessen hatte; davon musste sie stets mit tödlicher Lautlosigkeit furzen wie giftiges Sumpfgas. Als sich die gespenstische Wolke um ihn erhoben hatte, hatte er sich kerzengerade ins Bett gesetzt, um festzustellen, dass sie ihn mit einer Miene entrüsteten Grauens anstarrte.
    »Wie kannst du nur?«, sagte sie wie eine beleidigte Königin. »Also wirklich , Michel.«
    »Du weißt , dass ich es nicht war!«
    Lillie hatte den Mund aufgeklappt, und zu ihrem Grauen hatte sich Entrüstung gesellt.
    »Oh!«, keuchte sie und hob ihren kleinen Mops an die Brust. »Nicht nur, dass du furzt wie ein verwesender Wal, jetzt versuchst du auch noch, es auf mein armes Hündchen zu schieben! Cochon! « Woraufhin sie angefangen hatte, das Bettzeug sacht zu schütteln und mit der freien Hand den üblen Geruch in seine Richtung zu wedeln, während sie sich mit tadelnden Worten an Plonplon wandte, der Michael einen scheinheiligen Blick zuwarf, bevor er sich abwandte und seiner Herrin mit großer Hingabe das Gesicht leckte.
    »O Himmel«, flüsterte er, jetzt wieder in der Gegenwart. Er sank in sich zusammen und presste das Gesicht an die Reling. »Oh Gott, mein Herz, ich liebe dich!«
    Er schüttelte sich lautlos, den Kopf in den Armen vergraben. Er war sich der Seeleute bewusst, die hin und wieder hinter ihm vorbeigingen, doch keiner von ihnen nahm in der Dunkelheit Notiz von ihm. Schließlich ließ seine Qual ein wenig nach, und er holte Luft.
    Also gut. Vorerst würde er jetzt zurechtkommen. Und etwas verspätet dankte er Gott, dass er sich eine Weile um Joan kümmern konnte – oder Schwester Gregory, wenn sie es so wollte. Er wusste nicht, wie er es schaffen würde, allein durch die Straßen von Paris zu seinem Haus zu gehen. Einzutreten, die Dienstboten zu begrüßen – würde sein Vetter Jared dort sein? –, sich der Trauer des Haushalts gegenüberzusehen, das Beileid zum Tod seines Vaters entgegenzunehmen, etwas zu essen zu bestellen, sich hinzusetzen … während er sich doch die ganze Zeit am liebsten auf den Boden ihres leeren Schlafzimmers werfen und wie eine verlorene Seele heulen würde. Früher oder später musste er sich alldem stellen – aber jetzt noch nicht. Vorerst war er für diese Atempause dankbar.
    Er putzte sich entschlossen die Nase, steckte sein mitgenommenes Taschentuch ein und ging nach unten, um den Korb zu holen, den seine Mutter ihnen mitgegeben hatte. Er konnte zwar selbst keinen Bissen herunterbekommen, doch dafür zu sorgen, dass Schwester Joan etwas aß, würde ihn vielleicht eine weitere Minute ablenken.
    »So macht man es«, hatte ihm sein Bruder Ian gesagt, als sie gemeinsam über dem Zaun der Schafsweide seiner Mutter lehnten, den Winterwind kalt in den Gesichtern, und darauf warteten, dass ihr Pa den Weg in den Tod fand. »Man findet einen Weg, eine einzige Minute weiterzuleben. Und dann noch eine. Und noch eine.« Auch Ian hatte eine Frau verloren; er wusste, wie es um ihn stand.
    Er hatte sich über das Gesicht gewischt – vor Ian konnte er weinen, etwas, das er vor seinem älteren Bruder oder den Mädchen nicht konnte und gewiss nicht vor seiner Mutter. Er hatte gefragt: »Und nach einer Weile wird es besser; ist es das, was du mir sagen willst?«
    Sein Bruder hatte ihn offen angesehen, und aus seinen Augen hatte ihm inmitten der exotischen Tätowierungen die Ruhe entgegengeblickt.
    »Nein«, hatte er leise gesagt. »Aber nach einer Weile stellt man fest, dass man an einem anderen Ort ist als zuvor. Dass man eine andere Person ist als zuvor. Und dann schaut man sich um und sieht seine Umgebung. Vielleicht kann man sich nützlich machen. Das hilft.«
    »Aye, schön«, murmelte er vor sich hin und richtete sich auf. »Dann wollen wir einmal sehen.«
    ZU RAKOCZYS ÜBERRASCHUNG: Falls Maximilian der Große überrascht war, ihn zu sehen, ließ sich der spanische Zwerg das nicht anmerken. Die anderen Gäste – zwei einarmige Jongleure (denen jeweils der gegenüberliegende Arm

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