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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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weit fort von ihr, zwang sich aber, still zu sitzen und noch eine weitere Frage zu stellen.
    »Wisst Ihr, ob man Schlangen eine besondere Bedeutung zuspricht, Madam? In der afrikanischen Magie, meine ich?«
    Sie blinzelte verblüfft.
    »Schlangen«, wiederholte sie langsam. »Aye. Nun … Schlangen sind weise, heißt es. Und manche der Loas sind Schlangen.«
    » Loas ?«
    Sie rieb sich geistesabwesend die Stirn, und mit einem leisen Anflug von Ekel sah er, dass sie einen schwachen Ausschlag hatte. Er hatte das schon öfter gesehen: das Anzeichen für eine fortgeschrittene Syphilisinfektion.
    »Man würde sie wohl als Geister bezeichnen«, sagte sie und betrachtete ihn abschätzend. »Träumt Ihr manchmal von Schlangen, Oberst?«
    »Ob ich – nein. Nein.« Das stimmte zwar, doch die bloße Vorstellung war unaussprechlich verstörend. Sie lächelte.
    »Ein Loa nimmt einen Menschen in Besitz, aye? Spricht durch diesen Menschen. Und ich sehe eine gewaltige Schlange auf Euren Schultern liegen, Oberst.« Sie hievte sich abrupt zum Stehen hoch.
    »Ich würde aufpassen, was Ihr esst, Oberst Grey.«
    ZWEI TAGE SPÄTER KEHRTEN SIE NACH SPANISH TOWN ZURÜCK. Der Heimritt ließ Grey Zeit zum Nachdenken, und er kam zu einer Reihe von Schlussfolgerungen. Unter anderem gelangte er zu der Überzeugung, dass Rose Hall nicht von den Aufständischen überfallen worden war. Er hatte mit Mrs. Abernathys Aufseher gesprochen, der ihm widerstrebend und ausweichend geantwortet hatte und die Einzelheiten des angeblichen Überfalls nur sehr vage beschrieben hatte. Und später …
    Nachdem er mit dem Aufseher und einigen Sklaven gesprochen hatte, war er zum Haus zurückgekehrt, um sich offiziell von Mrs. Abernathy zu verabschieden. Auf sein Klopfen hatte niemand geantwortet, und er war auf der Suche nach einem Bediensteten um das Haus herumgegangen. Was er stattdessen gefunden hatte, war ein Pfad, der vom Haus abwärtsführte und an dessen Ende er Wasser erspähte.
    Neugierig war er diesem Pfad gefolgt und hatte die berüchtigte Quelle gefunden, in die sich Mrs. Abernathy angeblich vor den mordenden Eindringlingen geflüchtet hatte. Mrs. Abernathy befand sich in der Quelle, nackt. Sie schwamm gemächlich von einer Seite zur anderen, und ihr weißgesträhntes Haar breitete sich hinter ihr auf dem Wasser aus.
    Das Wasser war kristallklar; er konnte ihr Gesäß sehen, das ihre Bewegungen antrieb wie ein Blasebalg – und dazwischen die rötliche Höhlung ihres Geschlechts, das durch ihre Bewegungen entblößt wurde. Es gab kein Schilf, das sie verhüllt hätte, und auch keine andere Vegetation; die Frau wäre nicht zu übersehen gewesen, wenn sie sich in der Quelle befunden hätte – und die Wassertemperatur schreckte sie eindeutig auch nicht.
    Sie hatte also gelogen, was die Aufständischen betraf. Ihn überkam die kalte Gewissheit, dass Mrs. Abernathy ihren Ehemann ermordet oder es arrangiert hatte – doch es gab nicht viel, was er mit dieser Schlussfolgerung anfangen konnte. Sie festnehmen? Es gab ja keine Zeugen – niemanden, der berechtigt war, gegen sie auszusagen, selbst wenn er gewollt hätte. Und er hatte das dumpfe Gefühl, dass keiner ihrer Sklaven es wollen würde; die, mit denen er gesprochen hatte, hatten bezüglich ihrer Herrin große Zurückhaltung an den Tag gelegt. Ob dies aus Loyalität oder aus Angst geschah – es würde auf dasselbe hinauslaufen.
    Was ihm diese Schlussfolgerung aber sagte, war, dass die Aufständischen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht des Mordes schuldig waren, und das war wichtig. Bis jetzt war bei all ihren Übergriffen nur von beschädigtem Eigentum die Rede – und zwar nur von Feldern oder Ausrüstung. Sie hatten keine Häuser in Brand gesetzt. Einige Plantagenbesitzer hatten zwar behauptet, dass ihnen Sklaven geraubt worden waren, doch dafür gab es keinen Beweis; es war gut möglich, dass besagte Sklaven das Durcheinander des Überfalls schlicht zur Flucht genutzt hatten.
    Dies verriet ihm eine gewisse Sorgfalt vonseiten des Rebellenführers. Wer mochte das sein?, fragte er sich. Was für ein Mensch? Er bekam immer mehr den Eindruck, dass er es nicht mit einer Rebellion zu tun hatte – es gab keine offene Deklaration, und er hätte eine solche erwartet –, sondern mit dem Überkochen einer lange brodelnden Frustration. Er musste mit Hauptmann Cresswell sprechen. Und er hoffte, dass es dem verflixten Sekretär gelungen war, den Superintendenten zu finden, wenn er das King’s House

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