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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erreichte.
    AM ENDE JEDOCH WAR ES SCHON LANGE DUNKEL, als sie das King’s House erreichten, und der Butler des Gouverneurs – der in seinem weißen Nachthemd wie ein schwarzes Gespenst aussah – teilte ihm mit, der Haushalt schliefe schon.
    »Also schön«, sagte er erschöpft. »Bitte ruft meinen Kammerdiener. Und sagt dem Bediensteten des Gouverneurs morgen früh, dass ich Seine Exzellenz nach dem Frühstück sprechen muss, ganz gleich, wie sein Gesundheitszustand sein mag.«
    Tom war so froh, Grey unversehrt wiederzusehen, dass es ihm nicht einfiel zu protestieren, als man ihn weckte. Er hatte ihn gewaschen, ins Nachthemd und unter sein Moskitonetz gesteckt, bevor die Kirchenglocken von Spanish Town Mitternacht schlugen. Die Zimmertüren waren zwar repariert worden, doch Grey bat Tom, das Fenster offen zu lassen, und schlief mit einem seidigen Luftzug auf den Wangen ein, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was der Morgen bringen würde.
    Aufgeregtes Hämmern weckte ihn aus einem lebhaften erotischen Traum. Er zog den Kopf unter dem Kissen hervor, das Kratzen roter Haare noch rau auf seinen Lippen, und schüttelte heftig den Kopf, um sich im Hier und Jetzt zu orientieren. Poch, poch, poch, poch, poch! Was zum Teufel …? Oh. Die Tür.
    »Was? Kommt herein, zum Kuckuck, die Tür ist doch offen! Was zum Henker – oh. Einen Moment.« Er kämpfte sich aus dem zerwühlten Bettzeug – Grundgütiger, hatte er tatsächlich getan, was er geträumt hatte? – und schlang sich den Morgenrock um die rapide abnehmende Schwellung.
    »Was?«, wollte er wissen, als es ihm schließlich gelang, die Tür zu öffnen. Zu seiner Überraschung stand Tom davor, zitternd und mit riesigen Augen, und neben ihm Major Fettes.
    »Seid Ihr unversehrt, Mylord?«, platzte Tom heraus und schnitt damit Major Fettes das Wort ab.
    »Sieht es so aus, als wäre ich im Begriff zu verbluten oder als fehlten mir irgendwelche lebenswichtigen Körperteile?«, fragte Grey ziemlich gereizt. »Also, was ist denn passiert, Fettes?«
    Jetzt, da er die Augen ganz geöffnet hatte, sah er, dass Fettes beinahe genauso verstört aussah wie Tom. Der Major – der über ein Dutzend bedeutende Feldzüge hinter sich hatte, der Tapferkeitsorden besaß und für seine Unerschütterlichkeit bekannt war – schluckte sichtlich und holte tief Luft.
    »Es ist der Gouverneur, Sir. Am besten seht Ihr es Euch selber an.«
    »WO SIND DENN DIE MÄNNER, DIE IHN BEWACHEN SOLLTEN?«, fragte Grey ruhig, als er aus dem Schlafzimmer des Gouverneurs trat und die Tür sanft hinter sich schloss. Dabei glitt ihm der Türknauf aus den rutschigen Fingern. Er wusste zwar, dass sie verschwitzt waren, nicht blutig, doch sein Magen verkrampfte sich, und er rieb sich die Finger am Oberschenkel seiner Hose ab.
    »Fort, Sir.« Fettes hatte seine Stimme wieder unter Kontrolle, wenn auch nicht sein Gesicht. »Das Gelände wird gerade abgesucht.«
    »Gut. Würdet Ihr bitte die Dienstboten zusammenrufen? Ich muss sie verhören.«
    Fettes holte tief Luft.
    »Sie sind auch fort.«
    »Was? Alle?«
    »Ja, Sir.«
    Jetzt holte er ebenfalls tief Luft – und atmete schnell wieder aus. Selbst außerhalb des Zimmers rief der Gestank noch Übelkeit hervor. Er konnte den Geruch wie eine Schicht auf seiner Haut spüren und rieb sich die Finger erneut an der Hose. Er schluckte, hielt die Luft an und wies Fettes mit einer Kopfbewegung an, ihm zu folgen – ebenso wie Cherry, der jetzt dazugekommen war und als Antwort auf Greys hochgezogene Augenbraue stumm den Kopf schüttelte. Keine Spur von den verschwundenen Wachtposten. Verdammt, man würde nach ihren Leichen suchen müssen. Bei diesem Gedanken wurde ihm kalt, trotz der zunehmenden Wärme des Morgens.
    Er ging die Treppe hinunter, und seine Offiziere folgten ihm nur zu gern. Als er unten ankam, hatte er zumindest entschieden, wo er anfangen würde. Er blieb stehen und wandte sich Fettes und Cherry zu.
    »Nun gut. Ab sofort unterliegt die Insel dem Kriegsrecht. Setzt die Offiziere davon in Kenntnis, sagt ihnen aber, sie sollen es noch nicht öffentlich bekannt machen. Und sagt ihnen nicht, warum.« Nach der Flucht des Personals würde die Nachricht vom Tod des Gouverneurs Spanish Town innerhalb von Stunden erreichen – wenn sie sich nicht schon jetzt herumsprach. Doch wenn es auch nur den Hauch einer Chance gab, der Bevölkerung zu verheimlichen, dass Gouverneur Warren in seinen eigenen vier Wänden umgebracht und teilweise verschlungen worden war,

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