Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Afilepulver zu geben, zu warten, bis sie zusammenbricht und sie dann über einer frischen Leiche zu begraben. Man streut nur etwas Erde über sie«, erklärte sie angesichts seiner Miene. »Und achtet darauf, dass man ihr Laub und Stöckchen auf das Gesicht legt, bevor man die Erde darüberstreut, so dass die Person noch atmen kann. Wenn das Gift so weit verfliegt, dass sie sich wieder bewegen und Dinge wahrnehmen können, sehen sie, dass sie in einem Grab liegen, riechen den Gestank, und dann wissen sie, dass sie tot sind.« Ihr Ton war so beiläufig, als hätte sie ihm ihre geheimen Kuchenrezepte erzählt. Seltsamerweise half ihm das, und er konnte trotz seines Ekels ruhig sprechen.
    »Gift? Ihr meint das Afilepulver? Was für eine Sorte Gift ist das? Wisst Ihr das?«
    Angesichts des Glitzerns in ihren Augen dankte er dem Impuls, der ihn bewogen hatte, dieses »Wisst Ihr das?« hinzuzufügen – denn hätte er sie nicht bei ihrem Stolz gepackt, glaubte er nicht, dass sie es ihm gesagt hätte. So jedoch zuckte sie mit den Schultern und antwortete gleichmütig.
    »Oh … Kräuter. Gemahlene Knochen – ein paar andere Zutaten. Doch das Wichtigste, die eine Zutat, die man haben muss, ist die Leber eines Fugufischs.«
    Er schüttelte den Kopf, weil ihm dieses Tier nichts sagte. »Beschreibt ihn mir bitte.« Das tat sie; der Beschreibung nach glaubte er, dass es sich um einen der merkwürdigen Kugelfische handeln musste, die sich wie Blasen aufpusteten, wenn man sie störte. Er gelobte im Stillen, nie einen solchen Fisch zu essen. Im Lauf des Gesprächs jedoch wurde ihm eines klar.
    »Aber was Ihr mir da sagt – pardon, Madam –, ist, dass ein Zombie überhaupt kein Toter ist? Dass sie nur betäubt sind?«
    Ihre Lippen verzogen sich; ihm fiel auf, dass sie immer noch voll und rot waren, jünger, als ihr Gesicht es vermuten ließ.
    »Was würde ein Toter denn irgendjemandem nützen?«
    »Aber der weit verbreitete Glaube ist doch, dass Zombies Tote sind.«
    »Aye, natürlich. Die Zombies glauben, dass sie tot sind, und alle anderen glauben es auch. Es ist zwar nicht wahr, aber es ist wirkungsvoll. Jagt den Leuten Todesangst ein. Was allerdings das ›nur betäubt‹ betrifft …« Sie schüttelte den Kopf. »Wisst Ihr, es gibt kein Zurück aus diesem Zustand. Das Gift schädigt ihr Hirn und ihr Nervensystem. Sie können zwar simple Anweisungen befolgen, aber sie können nicht mehr selbst denken – und ihre Bewegungen sind zum Großteil steif und langsam.«
    »Ach ja?«, murmelte er. Das Wesen – nun, der Mann, dessen war er sich jetzt sicher –, das ihn attackiert hatte, war alles andere als steif und langsam gewesen. Ergo …
    »Ich habe gehört, Madam, dass die meisten Eurer Sklaven Ashanti sind. Weiß von ihnen vielleicht jemand mehr über diese Vorgänge?«
    »Nein«, sagte sie abrupt und richtete sich ein wenig auf. »Was ich weiß, habe ich von einem Houngan erfahren – das ist eine Art … Medizinmann würde man wohl sagen. Er war aber nicht mein Sklave.«
    »Und ein Medizinmann praktiziert was genau?«
    Ihre Zunge glitt langsam über die Enden ihrer scharfen Zähne, die zwar gelblich verfärbt, aber noch gesund waren.
    »Magie«, sagte sie und lachte leise. »Aye. Magie. Afrikanische Magie. Sklavenmagie.«
    »Ihr glaubt an Magie?«, fragte er neugierig.
    »Ihr etwa nicht?« Sie zog die Augenbrauen hoch, doch er schüttelte den Kopf.
    »Nein. Und nach dem, was Ihr mir gerade erzählt habt, ist die Erschaffung – wenn man es so nennen möchte – eines Zombies ja eben keine Magie, sondern schlicht die Anwendung von Gift über einen gewissen Zeitraum hinweg, verbunden mit der Macht der Suggestion.« Ihm kam noch ein Gedanke. »Ist es möglich, sich von einer solchen Vergiftung zu erholen? Ihr sagt doch, das Gift ist nicht tödlich?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Das Gift nicht, nein. Aber sie sterben ohne Ausnahme. Zum einen verhungern sie. Zum zweiten verlieren sie jede Willenskraft und können nur noch tun, was ihnen der Houngan sagt. Sie siechen allmählich dahin, bis …« Sie schnippte lautlos mit den Fingern.
    »Selbst wenn sie überleben würden«, fuhr sie realistisch fort, »würden die Leute sie umbringen. Wenn ein Mensch einmal zum Zombie gemacht wurde, gibt es kein Zurück.«
    Im Lauf des Gesprächs hatte Grey den Eindruck bekommen, dass Mrs. Abernathy aus weitaus genauerer Vertrautheit mit diesem Thema zu sprechen schien, als sie der gemeine Naturkundler normalerweise erwarb. Er wünschte sich

Weitere Kostenlose Bücher