Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
während die Armee Seiner Majestät über ihn wachte … so würde Grey dies versuchen.
»Was ist mit dem Sekretär?«, fragte er abrupt, weil ihm der Mann plötzlich in den Sinn kam. »Dawes. Ist er auch fort? Oder tot?«
Fettes und Cherry wechselten einen schuldbewussten Blick.
»Weiß nicht, Sir«, sagte Cherry schroff. »Ich gehe nachsehen.«
»Bitte.«
Er erwiderte ihren Salut mit einem Kopfnicken und ging ins Freie. Ein Schauder der Erleichterung durchlief ihn, als die Sonne sein Gesicht berührte und er ihre Wärme durch sein dünnes Leinenhemd spürte. Langsam ging er zu seinem Zimmer, wo es Tom inzwischen zweifellos gelungen war, seine Uniform zu säubern und zurechtzulegen.
Was jetzt? Dawes musste, falls der Mann noch lebte – und er hoffte inbrünstig, dass es so war … Er brachte seinen Gedanken nicht zu Ende, denn er musste heftig würgen. Der Speichel schoss ihm in den Mund, und er spuckte ein paarmal auf die Terrasse, weil ihm die Erinnerung an diesen erstickenden Gestank das Schlucken unmöglich machte.
»Tom«, sagte er drängend, als er schließlich sein Zimmer betrat. »Hattet Ihr Gelegenheit, mit den anderen Dienstboten zu sprechen? Mit Rodrigo?«
»Ja, Mylord.« Tom winkte ihn auf den Hocker und kniete sich hin, um ihm die Strümpfe anzuziehen. »Sie wussten alle von den Zombies – und meinten, es wären Tote, genau wie es Rodrigo gesagt hat. Ein Houngan – das ist ein … nun, ich weiß es nicht genau, aber die Leute haben gewaltige Angst vor ihm. Jedenfalls … wenn ein solcher Houngan etwas gegen jemanden hat – oder wenn man ihn dafür bezahlt, vermute ich –, bringt er diesen Jemand in seine Gewalt und tötet ihn, dann erweckt er ihn wieder als seinen Diener, und das ist ein Zombie. Sie hatten alle Todesangst davor, Mylord«, sagte er ernst und blickte auf.
»Das kann ich ihnen nicht verübeln. Wussten sie von meinem Besucher?«
Tom schüttelte den Kopf.
»Sie haben nein gesagt – ich glaube, sie wussten es, Mylord, aber sie wollten es nicht sagen. Ich habe aber Rodrigo beiseitegenommen; er hat zugegeben, dass er davon wusste, aber er sagte, er glaubte nicht, dass es ein Zombie war, der Euch angegriffen hat, weil ich ihm von Eurem Kampf erzählt habe und von der Verwüstung in Eurem Zimmer.« Er blickte mit finsterer Miene auf die Ankleidekommode und den zersprungenen Spiegel.
»Tatsächlich? Was meinte er denn, was es war?«
»Eigentlich wollte er das nicht sagen, aber ich habe nicht lockergelassen, und am Ende hat er angedeutet, dass es vielleicht ein Houngan war, der vorgegeben hat, ein Zombie zu sein.«
Grey verdaute diese Worte einen Moment. Hatte ihm das Wesen, das ihn attackiert hatte, nach dem Leben getrachtet? Wenn ja – warum? Wenn aber nicht … Hatte der Überfall vielleicht nur dazu gedient, den Weg für das zu ebnen, was jetzt geschehen war, den Eindruck zu erwecken, als lauerten rings um das King’s House Scharen von Zombies? Das schien nicht unlogisch, allerdings …
»Aber mir wurde doch gesagt, dass sich Zombies steif und langsam bewegen. Könnte ein Zombie das getan haben, was … was dem Gouverneur angetan wurde?«
»Ich weiß es nicht, Mylord. Bin ja glücklicherweise noch keinem begegnet.« Nachdem ihm Tom die Knieschnallen geschlossen hatte, grinste ihn der Junge kurz an und erhob sich. Es war zwar ein nervöses Grinsen, doch Grey fühlte sich ermuntert und grinste zurück.
»Ich werde mir wohl die Leiche noch einmal ansehen müssen«, sagte er und erhob sich. »Würdet Ihr mitkommen, Tom?« Sein Leibdiener war zwar noch jung, besaß aber eine gute Beobachtungsgabe, vor allem, was den menschlichen Körper betraf, und er war ihm schon öfter bei der Deutung postmortaler Phänomene behilflich gewesen.
Tom erbleichte merklich, schluckte aber und nickte. Er richtete sich auf und folgte Lord John auf die Terrasse.
Auf dem Weg zum Zimmer des Gouverneurs begegneten sie Major Fettes, der mit finsterer Miene eine Scheibe Ananas verzehrte, die er in der Küche stibitzt hatte.
»Kommt mit mir, Major«, ordnete Grey an. »Ihr könnt mir erzählen, was Ihr und Cherry in meiner Abwesenheit herausgefunden habt.«
»Ich kann Euch eines erzählen«, sagte Fettes, der jetzt die Ananas beiseitelegte und sich die Hände an der Weste abwischte. »Richter Peters ist nach Eleuthera gefahren.«
»Warum denn das, zum Teufel?« Das war ärgerlich; er hatte gehofft, mehr über den Zwischenfall zu erfahren, der die Rebellion ausgelöst hatte. Und da er von Warren
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