Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
ganz offensichtlich nichts mehr erfahren würde … Er winkte ab; es spielte keine große Rolle, warum Peters fort war.
»Gut. Nun denn …« Grey atmete so weit wie möglich durch den Mund und drückte die Tür auf. Tom stieß ein unwillkürliches Keuchen aus, doch dann trat er vorsichtig neben die Leiche und hockte sich hin.
Grey hockte sich neben ihn. Hinter sich konnte er krampfhaftes Atmen hören.
»Major«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Falls Hauptmann Cherry Mr. Dawes gefunden hat, würdet Ihr so freundlich sein, ihn zu holen?«
SIE WAREN GANZ AUF DEN TOTEN KONZENTRIERT, als Dawes in Begleitung von Fettes und Cherry eintrat. Grey beachtete die Männer nicht.
»Die Bisse stammen tatsächlich von einem Menschen?«, fragte er, während er vorsichtig einen von Warrens Unterschenkeln zum Licht des Fensters drehte. Tom nickte und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
»Mit Sicherheit, Mylord. Ich bin schon von Hunden gebissen worden – das sieht ganz anders aus. Außerdem …« Er schob sich den Unterarm in den Mund und biss fest zu, dann zeigte er Grey das Ergebnis. »Seht Ihr, Mylord? Die Zähne beschreiben einen Kreis.«
»Kein Zweifel.« Grey richtete sich auf und wandte sich Dawes zu, dem die Knie den Dienst versagten, so dass Hauptmann Cherry ihn aufrecht halten musste. »Bitte setzt Euch, Mr. Dawes, und teilt mir Eure Meinung über das Geschehen mit.«
Dawes’ rundes Gesicht war fleckig, seine Lippen blass. Er schüttelte den Kopf und versuchte zurückzuweichen, doch Cherry hielt ihn am Arm gepackt und hinderte ihn daran.
»Ich weiß nichts, Sir«, keuchte er. »Nicht das Geringste. Darf ich bitte gehen? Ich … ich … wirklich, Sir, meine Füße tragen mich nicht mehr.«
»Das macht nichts«, sagte Grey freundlich. »Ihr könnt Euch gern auf das Bett legen, wenn Ihr nicht stehen könnt.«
Dawes blickte zum Bett hinüber, wurde komplett weiß und ließ sich auf den Boden plumpsen. Sah, was neben ihm auf dem Boden lag, und rappelte sich hastig wieder auf. Schwankend und schluckend stand er da.
Grey wies kopfnickend auf einen Hocker, und Cherry schob den kleinen Sekretär nicht allzu unsanft darauf zu.
»Was hat er Euch erzählt, Fettes?«, fragte Grey und wandte sich wieder dem Bett zu. »Tom, wir werden Mr. Warren in den Bettüberwurf wickeln, dann legen wir ihn auf den Boden und rollen ihn in den Teppich ein. Damit es nicht leckt.«
»Gut, Mylord.« Tom und Hauptmann Cherry machten sich vorsichtig an diese Aufgabe, während Grey zu Dawes hinüberging und auf ihn hinunterblickte.
»Hat sich mehr oder weniger unwissend gestellt«, sagte Fettes, der jetzt neben Grey trat und Dawes einen spekulativen Blick zuwarf. »Er hat uns erzählt, dass Derwent Warren in London eine Frau namens Nancy Twelvetrees verführt hatte. Hat sie aber sitzen gelassen und stattdessen die Erbin des Atherton-Vermögens geheiratet.«
»Die anscheinend nicht so dumm war, ihren Mann auf die Westindischen Inseln zu begleiten? Ja. Hat er gewusst, dass Miss Twelvetrees und ihr Bruder eine Plantage auf Jamaica geerbt hatten und dass sie planten, hierher auszuwandern?«
»Nein, Sir«, meldete sich Dawes zu Wort, und seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen. Er räusperte sich und sprach dann entschlossener weiter. »Er war völlig überrascht, als er den Twelvetrees’ bei seinem ersten Empfang begegnete.«
»Das kann ich mir vorstellen. Beruhte die Überraschung auf Gegenseitigkeit?«
»Ja. Miss Twelvetrees ist erst weiß geworden, dann rot, dann hat sie sich den Schuh ausgezogen und ist mit dem Absatz auf den Gouverneur losgegangen.«
»Das hätte ich gern gesehen«, sagte Grey mit aufrichtigem Bedauern. »Nun denn. Wie Ihr sehen könnt, bedarf der Gouverneur Eurer Diskretion nicht mehr. Ich dagegen bedarf Eurer Offenheit. Ihr könnt damit anfangen, dass Ihr mir sagt, warum er Angst vor Schlangen hatte.«
»Oh.« Dawes kaute auf seiner Unterlippe. »Das kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen …«
»Heraus damit, Fettkloß«, knurrte Fettes und beugte sich drohend über Dawes, der zurückfuhr.
»Ich … ich …«, stammelte er. »Wirklich, ich kenne die Einzelheiten nicht. Aber es … es hatte mit einer jungen Frau zu tun. Einer jungen Schwarzen. Er – das heißt, der Gouverneur – er hatte eine Schwäche für Frauen …«
»Und?«, hakte Grey nach.
Die junge Frau war anscheinend Sklavin im Haushalt gewesen. Und nicht gewillt, die Aufmerksamkeiten des Gouverneurs über sich ergehen zu
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