Zeit der Teufel
schön?«
»Das hier«, sagte Lafitte.
Er legte eine Zeitung auf den Tisch. Eine Originalausgabe einer New Yorker Tageszeitung aus dem Jahr 1973.
»Wie kommst du denn an das Revolverblatt?«, fragte Zamorra. Er kannte diese Zeitung aus seiner eigenen Zeit in den USA. »Neunzehndreiundsiebzig … meinst du nicht, dass das Ding schon ziemlich alt ist?«
»Habe ich extra übers Internet bestellt und eine Menge Euro dafür bezahlt«, sagte Lafitte. »Soll ein Geschenk für einen guten alten Freund sein. Zu seinem Jubiläum. Reiner Zufall, dass ich doch noch hineingeschaut habe.«
»Erkläre dich näher, Pascal«, forderte Zamorra. »Lass uns nicht dumm sterben.«
»Dann blättere mal freundlicherweise durch und ergötze dich an der unscheinbaren Meldung auf Seite vier«, empfahl Lafitte.
Zamorra schlug die Seite auf.
Die Meldung war tatsächlich unscheinbar.
Sie ließ sich in einem Satz zusammenfassen.
Du bist toi!
»Noch einen Cognac für den Professor«, orderte Lafitte. »Aber im großen Glas und randvoll, schätze, den braucht er jetzt.«
Zamorra brauchte ihn nicht, so leicht war er nicht zu erschüttern. Aber dieser Artikel war schon starker Tobak.
5. Juli 1973. Durch einen tragischen Verkehrsunfall kam der Professor für Parapsychologie, Zamorra deMontagne, ums Leben.
Die weiteren Zeilen verschwammen vor seinen Augen.
»Das ist doch Quatsch, Pascal«, sagte er. »Da hat sich jemand einen bösen Scherz erlaubt.«
»Diese Zeitung ist kein Faksimile«, entgegnete Lafitte. »Sie ist ein Original. Deshalb war sie auch so teuer.«
»Mann, ich sitze lebendig vor dir«, knurrte Zamorra fast böse. »Sehe ich aus wie eine Leiche, die dreißig Jahre in ihrer Gruft gelegen hat?«
»Nicht ganz dreißig«, korrigierte Nicole automatisch.
Zamorra sah sie strafend an.
»He«, sagte sie. »Damals haben wir zwei uns kennen gelernt!«
Er nickte.
Als wenn er das nicht wüsste! Den Tag hatten sie beide nie vergessen. Aber es war nicht Donnerstag, der 5. Juli gewesen. Sondern der 2., also drei Tage vorher!
Zamorra faltete die Zeitung wieder zusammen und reichte sie Lafitte zurück. »Vergiss es einfach«, schlug er vor. »Entweder hat dir da jemand mit dieser angeblichen Originalausgabe einen dummen Streich gespielt, oder es handelt sich tun eine Verwechslung.«
»Bei dem Namen?«, hielt ihm Lafitte entgegen.
»Vergiss es«, wiederholte Zamorra. »Ganz so selten sind die Namen Zamorra und Montagne ja nun auch nicht.«
Nicole hüstelte.
Zamorra ignorierte es. Er griff zum Cognacschwenker, den Mostache tatsächlich bis zum Rand aufgefüllt hatte, und nahm einen vorsichtigen kleinen Schluck. Dann einen zweiten, größeren.
Der Text des Artikels hatte sich in ihm regelrecht eingebrannt …. kam ums Leben …
Es war einfach Blödsinn. Er saß doch hier und trank im Kreis der Freunde aus dem Dorf seinen Cognac und seinen Wein. Er lebte doch!
Du bist tot!
Etliche Stunden, Cognacs und Weingläser später befanden Zamorra und Nicole sich wieder im Château. Butler William hatte sie aus dem Dorf abgeholt. Normalerweise waren sie beide Nachtmenschen, aber jetzt war es nicht einmal Mitternacht. Der Alkohol forderte seinen Tribut. Beide hatten mehr getrunken, als sie ursprünglich beabsichtigten. Nun lagen sie aneinander gekuschelt auf der »Spielwiese«, dem breiten und bequemen Bett in Zamorras Schlafzimmer. Er streichelte Nicoles warme, weiche Haut und genoss die kleinen Zärtlichkeiten, mit denen sie ihn beschenkte.
»Du nimmst es ernst«, stellte sie fest.
»Nein.«
»Ich kenne dich, cheri . Du kannst mich nicht täuschen. Damals hättest du es noch gekonnt, aber nicht mehr nach all diesen Jahren.«
Fast drei Jahrzehnte. Eine kleine Ewigkeit. Eigentlich, dachte Zamorra, müßten sie beide alte Leute sein. Aber sie waren es nicht. Sie waren jung geblieben.
Aber um welchen Preis?
Sie befanden sich in ständiger Gefahr. Nur in seltenen Fällen konnten sie ihr Leben so genießen, wie andere, »normale« Menschen es taten. Sie lebten beide länger als jeder andere, aber sie hatten weniger vom Leben als alle anderen …
Und trotzdem bereuten sie beide keine Sekunde. Es gab Dinge, die getan werden mussten. Es war ein Leben außerhalb aller Konventionen. Sie waren heute hier, morgen dort, ständig gab es Überraschungen. Und zumindest, dachte Zamorra selbstironisch, wurde es nie langweilig. Es war nicht das trockene, unausgefüllte Leben eines Hochschulprofessors, der skeptischen Studenten von
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