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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Imperialistischer Staat der Konzerne … sie glaubten, die Geheimformel der Macht gefunden zu haben. Aber wir haben sie ihnen suggeriert. Sie haben schöne Werbung für uns gemacht.
    – Mit einem Wort, Professor: Die Wahrheit von den anderen verbreiten lassen, und zwar von unglaubwürdigen Subjekten, zulassen, dass sich die Propheten in den Augen aller in Propheten des Unglücks verwandeln, und schließlich die Früchte ernten …
    – Ja. Das Richtige falsch zu sagen ist viel schlimmer, als das Falsche richtig zu sagen. Das ist alles. Mythenbildung, um der griechischen Weisheit, von der wir alle abstammen, Ehre zu erweisen.
    Allerdings, sagte der Kommandant abschließend, gäbe es kein Dogma, aufgrund dessen Lupo unberührbar sei. Und wenn wir – um bei der griechischen Mythologie zu bleiben – Götter sind, was wir zweifellos sind, ist Lupo dieser Hurensohn Prometheus. Deshalb beschränkte sich die Frage mehr oder weniger auf zwei Punkte: Man musste einen Felsen finden, an den man ihn fesseln konnte, und einen Adler, der seine Leber auffraß.

12.
    Mythenbildung, so ein Blödsinn, schrie Lupo. Sie sind nichts anderes als eine Bande von korrupten Mördern, Kriegstreibern, Todeshändlern … Und wenn es keinen Krieg gibt, erfinden sie einen … eines Tages lasse ich die ganze Sache auffliegen, ich schwöre es dir, Daria, ich habe genug von diesen Geschichten …
    Sie waren unterhalb des Appartmenthauses angelangt. Daria hatte ihn noch nie so aufgeregt erlebt. Trunken, könnte man beinahe sagen.
    – Komm, gehen wir rauf, sagte sie zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm, du legst dich hin, ich mache uns einen schönen Kamillentee …
    Lupo begann zu lachen. Auch sie lachte. Einen Kamillentee! Als Verführerin war sie gewiss eine Katastrophe. Dennoch, nachdem er ihr so großes Vertrauen geschenkt hatte, nachdem er ihr so nahe gewesen war wie noch nie, war der Gedanke … mit ihm ins Bett zu gehen, so stark wie nie zuvor. Ja. Mit ihm ins Bett gehen. Sich wild lieben. Ficken.
    – Ich möchte mit dir zusammen sein, flüsterte sie ihm zu und küsste ihn aufs Ohr.
    Lupo schüttelte sich, als ob er plötzlich aus einem Albtraum aufwachte.
    – Ich glaube, ich habe es heute Abend an Selbstkontrolle fehlen lassen. Natürlich zähle ich auf deine absolute Diskretion. Gute Nacht.
    Daria stieg in den Lift und verfluchte Lupo, die Sizilianer, die Männer, sich selbst, die ganze Welt. Es an Selbstkontrolle fehlen lassen … nein, für diesen Mann gab es keine Hoffnung. Was floss in seinen Adern? Blut oder gefrorenes Quecksilber? Ein kleines Bürgersöhnchen, genau das war Lupo. Ein verdammtes, kleines Bürgersöhnchen, das Geheimkrieg spielte und … sie war so wütend, dass sie nicht einmal bemerkte, dass die Tür offen war und dass jemand mitten in ihrer zertrümmerten Wohnung auf sie wartete.

Achter Teil
Vorhang!

1.
    Der Typ mit den weißen Haaren und den grauen Augen hieß Serge Manciotti. Er war doppelt so alt wie Guido, zeichnete Comics und war der anerkannte Patriarch der Jungs von Belleville. Sein Großvater, ein antifaschistischer Eisenbahner, war 1927 emigriert. In Nizza hatte er eine Zeit lang mit Sandro Pertini auf dem Bau gearbeitet. Als sich das Gerücht verbreitete, dass der Italiener einen gewissen Didier suchte, hatte Serge beschlossen einzugreifen. Guido hatte nur einen Teil der Geschichte erzählt und die unwirklich klingenden Details ausgespart.
    – Ich bin ein Genosse aus Rom. Vor gewisser Zeit habe ich ein Mädchen, Rossana, und diesen Didier, einen Schwulen, kennengelernt. Sie ist … verschwunden. Didier ist der einzige Anhaltspunkt, den ich habe. Ich möchte sie wieder finden, weil …
    – Wo habt ihr euch kennengelernt?
    – In Rom, im Argentovivo.
    – Und du kennst nicht einmal ihren Nachnamen?
    – Nein.
    – Warum sollte ich dir glauben? Du könntest auch ein Provokateur sein, ein verkleideter Flick …
    – Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll.
    – Sehr gut, sag lieber nichts. Wenn du es ernst meinst, viel Glück! Und wenn nicht,
merde!
    Wie aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft trafen sie sich am Abend darauf am selben Ort: in der Bellevilleuse, dem uralten Treffpunkt der Eisenbahner.
    – Wenn Didier wirklich ein Anarchist ist, erklärte Serge und schob ihn zum Ausgang, ist die Bellevilleuse nicht der richtige Ort.
    – Ich weiß nicht, ob er ein Anarchist ist, ich weiß nur, dass …
    – Belleville ist nämlich eine Insel, die aus vielen kleinen Inseln besteht … in die

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