Zeit der Wut
bringen.
– Ich werde sofort dafür sorgen.
– Und diesmal ohne einen Fehler zu machen.
Lupo, Lupo, Lupo und noch einmal Lupo. Er war in Alarmbereitschaft, er hatte Witterung aufgenommen, aber wahrscheinlich hatte er die Beute noch nicht einmal gesehen.
Prince of Persia
musste also in die operative Phase übergehen. Und das bedeutete: direkte, unmittelbare Aktion. Dennoch zögerte er. Lupo und sein Verrat waren der Grund. Der Kommandant konnte sich keinen Reim darauf machen. Wie hatten sie einen derart wertvollen Mann verlieren können? Wie hatte es passieren können, dass Lupo, der doch genau dieselben Voraussetzungen hatte wie er, die nutzlose Fahne der Demokratie hochhielt?
10.
Der Polizeichef höchstpersönlich hatte Lupo den Befehl erteilt. Auch Polizisten, die einer „Spezialeinheit“ angehörten, hatten die Pflicht, regelmäßig ihren Waffenschein zu aktualisieren. Und drei Jahre Verspätung waren zu viel, sogar für ein großes Tier wie ihn. Um sich die Sache einfacher zu machen, hatte Lupo Daria gebeten, ihn zum Schießplatz zu begleiten.
– Seit drei Jahren habe ich meinen Waffenschein nicht erneuert.
– Na und! Niemand wird dich je kontrollieren.
– Es ist ein Befehl.
Während sie ununterbrochen ins Schwarze schoss, bestand sein Rekord bei drei Serien zu zwanzig Schüssen in zwei Treffern am Rand der Zielscheibe.
– Es reicht, unsere Pflicht haben wir getan. Gehen wir was trinken. Weißt du, dass du schießt wie der Kommandant?
– Ist das ein Kompliment oder eine Drohung?
Sie setzten sich etwas abseits an einen Tisch, mitten unter die Schützen, die kamen und gingen und sich über die eben erbrachte Leistung unterhielten. Lupo trank einen Martini, gleich darauf einen zweiten.
– Der Kommandant und ich waren einmal sehr befreundet.
– Das erklärt dein plötzliches Interesse am Schießen. Möchtest du mich in die Grauzone führen?
– Wie auch immer es mit uns steht, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du die Person bist, der ich am meisten vertraue.
Und wie steht es mit uns?, hätte Daria ihn am liebsten gefragt, hielt sich aber zurück. Sein mürrisches Gesicht, sein glühender Blick ließen ahnen, dass bald ein Schrein geöffnet werden würde, den sie seit Jahren aufzubrechen versuchte.
– Hast du jemals von Professor Wisniaski gehört? Von der
Operation Re-building
? Nun, dann hör mir zu.
Alles hatte mit zwei jungen Hoffnungsträgern des nationalen Geheimdienstes begonnen. Mit ihm und dem Kommandanten natürlich. Sie waren zu einem Fortgeschrittenenkurs nach Phoenix, Arizona, eingeladen worden. Wisniaski hatte sie ins Herz geschlossen. Sie hatten sich gemeinsam betrunken und miteinander ein paar frigiden Kolleginnen der NSA den Hof gemacht.
– Du auch? Das glaub ich nicht.
– Tatsächlich hatte er immer mehr Erfolg. Wie dem auch sei … Wisniaski sagte,
Re-building
sei das insgeheime Meisterwerk der jetzigen Welt.
– Das halte ich für etwas übertrieben, du nicht?
– In einem gewissen Rahmen hatte er recht. Das Prinzip bestand in dem genauen Gegenteil dessen, was sie uns immer beigebracht haben.
– Und zwar?
– Und zwar … dass der Staat sich im Geheimen verteidigt. Wisniaski sagte, das seien lauter Dummheiten. Geheimnisse sind durchaus keine Geheimnisse und werden am besten geschützt, wenn … und stell dir vor, was ich empfunden habe, als ich Jahre später denselben Satz vom Chef des KGB gehört habe …
– Wisniaski war ein Spion?
– Ganz im Gegenteil. Er war einer mit Weitblick. Man muss immer die Wahrheit sagen, sagte er. Vor allem den Feinden.
Der Trick bestand darin, auszuwählen, welchem Feind man die Aufgabe anvertraute, die Wahrheit zu offenbaren. Das auserwählte Subjekt musste die Wahrheit öffentlich machen. Und je bunter, exzentrischer, außergewöhnlicher und unzuverlässiger das ausgewählte Subjekt war, desto geringer waren die Chancen, dass die Wahrheit als Wahrheit erkannt wurde. Das war es. Man musste die Wahrheit so lange entkräften, bis sie zu einer der vielen urbanen Legenden verkommen war.
– Mythenbildung, verstehst du? Schamanismus. Das ist die Grundlage von allem.
Re-building
war gestartet worden, als alle, die ein bisschen Grips hatten, kapierten, dass es mit dem Kommunismus zu Ende ging. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Der Untergang würde ein Vakuum hinterlassen, das gefüllt werden musste.
Big Oil
war zweifellos die entschlossenste und effizienteste Agentur, sie konnte es kaum erwarten, das Zentrum des
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