Zeit des Aufbruchs
hatte in den Unterkünften junge Rekruten angelernt, und seine Sandalen vergrößerten die Pfützen, die Arakasis dunkle Robe hinterlassen hatte.
Ohne lange Vorrede kam Mara gleich zur Sache: »Nacoya, schicke Mitteilungen an alle Herrscher der Partei des Jadeauges und informiere sie, daß wir uns in einem Monat von heute an in unserem Haus in der Heiligen Stadt aufhalten werden. Die Acoma würden sich freuen, jeden von ihnen als Gast zum Mittag-oder Abendessen begrüßen zu dürfen … entsprechend ihrem Rang natürlich.« Sie zögerte kurz und fügte dann hinzu: »Schicke ebenfalls Botschaften an alle Mitglieder des Clans Hadama, daß in sechs Wochen in der Halle des Hohen Rates ein Treffen stattfinden wird.«
Nacoya, die eine verrutschte Haarnadel zurechtsteckte, erstarrte mitten in der Bewegung. »Mistress, viele aus dem Clan Hadama waren mit Axantucar verbündet. Sie werden wenig Veranlassung sehen, so schnell wieder nach Kentosani zurückzukehren, trotz Eurer Bitte.«
Mara warf ihr einen harten Blick zu. »Dann mach ihnen klar, daß dies keine Bitte ist, sondern eine Aufforderung.«
Kurz davor, einen Streit anzufangen, versuchte Nacoya den Blick in den Augen ihrer Herrin zu beurteilen. Sie überlegte kurz, nickte dann einmal und meinte mit wenig Anmut: »Wie Ihr wünscht, Mistress.«
Von seiner Ecke aus beobachtete Kevin den abendlichen Wortwechsel mit wachsender Unruhe. Etwas in Mara hatte sich verändert, das fühlte er, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was es war. Er wußte nur, daß eine Distanz zwischen ihnen entstanden war, trotz seiner Bemühungen, Geduld zu üben. Er betrachtete den kalten, unnahbaren Blick seiner Lady und faßte einen Entschluß. Was für hintergründige Gedanken sie auch hegen mochte, er war sich dieses Mal nicht sicher, ob er sie wirklich wissen wollte. Das Spiel war kein Spiel, zumindest nicht in einer Weise, die er verstanden hätte. Und er war mittlerweile vertraut genug mit der Politik im Kaiserreich Tsuranuanni, um zu spüren, wenn Ereignisse auf eine Bedrohung hinausliefen. Veränderungen, das hatte er gelernt, gab es in diesem Land nicht, es sei denn in Form von Blutvergießen, und der Untergang eines weiteren Kriegsherrn deutete auf das Allerschlimmste hin.
Der Regen trommelte auf die Dachbalken, und die Dunkelheit senkte sich herab. Obwohl die Luft so feucht und stickig war wie zuvor, hatte Kevin plötzlich jedes Bedürfnis nach Schlaf verloren.
Der Sturm zog vorbei, und wenn auch weiße Wolken am Horizont von späteren Regenschauern kündeten, war es doch ein strahlender Tag. Mara stand in der heißen Sonne auf dem Übungsplatz, aufrecht und mit unergründlicher Miene. Vor ihr wartete ihre gesamte Garnison, jeder Krieger, der die Farben der Acoma trug. Die einzigen abwesenden Soldaten waren jene, die auf den entfernten Besitztümern Dienst taten oder entlang der Grenzen des eigentlichen Acoma-Landguts auf Patrouille waren.
Rechts von Mara stand Nacoya, die unter dem Gewicht des Zeremoniengewandes förmlich zu verschwinden schien. Ihre winzige Statur wurde noch betont durch den Amtsstab mit dem Fächer aus Shatra-Schwanzfedern, das offizielle Zeichen ihres Amtes als Erste Beraterin. Hinter und links von Mara standen Keyoke, Saric und Lujan, alle in formellen Gewändern. Die polierten Rüstungen, die Juwelen und die Perlmutteinsätze auf den Offiziersstäben glänzten hell im Morgenlicht.
Kevin blinzelte gegen das auf den Rüstungen und Waffen funkelnde Sonnenlicht und betrachtete die Szene vom Haus aus. Sein Aussichtspunkt war ein Fensterplatz in der großen Halle, in der Mara sonst hof hielt. Neben ihm stand Ayaki, die Ellenbogen auf ein Kissen aufgestützt. Hinter dem jungen Herrn stand der ältliche Haussklave Mintai, der für die Instandhaltung dieses Raumes eingeteilt war; in der einen Hand hielt er einen Topf mit Wachs, während von der anderen ein vergessenes Poliertuch herabbaumelte. Der alte Mann genoß den freien Augenblick, den eine solche Zeremonie mit sich brachte, da dies die einzigen Zeiten waren, in denen er ohne Furcht vor Zurechtweisung etwas Müßigkeit walten lassen konnte.
Mara hatte als erstes Auszeichnungen und Beförderungen vergeben, danach nahm sie etwa einem Dutzend junger Krieger, die in den Dienst der Acoma gerufen worden waren, den Treueeid ab. Als die neuen Rekruten ihre Verbeugungen ausgeführt hatten und zurück in die Reihen traten, wandte sie sich an die gesamte Armee.
»Jetzt ist die Stärke der Acoma so weit gewachsen,
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