Zeit des Aufbruchs
Familie kopfüber in die Erde gesteckt wird, kann da noch jemand behaupten, es sei nicht der Wille der Götter?«
Mara durchforschte jedes Gesicht im Raum, suchte nach feindseligen Reaktionen. Kurz bevor der kühnste Herrscher seine Stimme zum Protest erheben konnte, rief sie: »Ich behaupte, es ist nicht der Wille der Götter!« Ihre Worte hallten in den Galerien wider, und gerötete Gesichter, Zeichen ihrer beinahe unschicklichen Gefühlsaufwallung, hielten die Lords auf ihren Plätzen.
»Ich, Mara von Acoma, die den Lord der Anasati gezwungen hat, mir Schonung zu gewähren! Ich, die Jingu von den Minwanabi unter dem Dach seiner eigenen Ahnen vernichtete! Ich, die die Acoma zum mächtigsten Haus im Clan Hadama schmiedete! Ich sage, daß wir selbst unser Schicksal bestimmen und unseren Platz auf dem Rad selbst wählen! Wer von euch bestreitet das?«
Die Anwesenden reagierten mit Unruhe auf diese Vorstellung, und einige Lords bewegten sich, als wäre ihnen unangenehm, was wie Blasphemie klang. Ein Herrscher weiter hinten rief: »Lady, ihr äußert gefährliche Gedanken.«
»Wir leben in gefährlichen Zeiten«, schoß Mara zurück. »Es ist höchste Zeit für radikales Umdenken.«
Zustimmung folgte, wenn auch zögernd. Tiefes Gegrummel mündete in leidenschaftliche Unterredungen und wurde dann abgeschnitten vom Lord der Chekowara, der kaum seine Wut darüber beherrschen konnte, daß er vergessen worden war, da, wo er stand. »Was schlagt Ihr vor, Lady Mara, außer die Besetzung meines Amtes?« schrie er über den allgemeinen Lärm hinweg.
Juwelen blitzten im Sonnenlicht, das von der gewölbten Kuppel herabfiel. Mara zog eine Schriftrolle aus dem Ärmel. Jetzt mußte Kevin an sich halten, um nicht lauthals seine Bewunderung für ihre vorzügliche zeitliche Planung herauszuschreien. »Gib ihnen das Zuckerbrot«, flüsterte er vor sich hin.
In dem hellen Licht konnte niemand die gelb-weißen Schleifen übersehen, die, wie alle wußten, eine Verfügung des Hüters des Kaiserlichen Siegels zusammenhielten. Mara war sich der Tatsache bewußt, daß sie die Blicke jedes einzelnen im Saal auf sich gezogen hatte, und betrachtete die Versammlung mit gebieterischer Haltung. »Hier, unter diesem offiziellen Siegel, befindet sich ein Dokument, das den Acoma ein ausschließliches Handelsrecht sichert.«
»Ein Handelsrecht?« »Mit wem?« und »Für was?« kam es aus verschiedenen Ecken der Galerien.
Nur Lord Benshai schien unbeeindruckt. Er stand unbewegt da und glühte vor Zorn. »Selbst wenn Ihr ein Dokument aus den Händen des Lichts des Himmels persönlich in den Händen hieltet, würde ich mich vor Euch nicht verbeugen, Lady.«
Lujan fuhr mit einer Hand hörbar an den Griff seines Schwertes, eine klare Warnung, daß er keine Beleidigung seiner Lady dulden würde. Die Krieger der Chekowara griffen ebenfalls zu ihren Schwertern, und Kevin, der genau wußte, wie ernst die Lage war, wie gefährlich nahe ein Blutvergießen, schwitzte in seinem Gewand und wünschte sich sehnlichst ein Messer.
Doch Mara las das Dokument laut vor, als wäre die angespannte Haltung ihrer Soldaten nichts als eine Pose. Im Saal breitete sich Grabesstille aus. »Ich halte hier den Schlüssel zum Reichtum in meinen Händen, Mylords«, schloß sie. »Ich verfüge über das ausschließliche Recht für den Import und Export der Güter Midkemias.«
Immer noch war es totenstill, und Mara fuhr fort: »Begreift ihr, wie sehr die massenhafte Einfuhr auch nur eines der hier aufgelisteten Güter, ganz besonders aber des Metalls, euren Wohlstand beeinflussen wird?«
Die Stille in der Versammlungshalle wurde jetzt bedrückend. Einige Lords berieten sich flüsternd mit ihren Vertrauten, während die auf den höherrangigen Plätzen langsam immer blasser wurden. Der Lord der Chekowara bedeutete seinen Kriegern rasch, ihre kampfbereite Haltung etwas zu lockern; mehr als allen anderen war ihm klar, daß Mara ihn geschlagen hatte. Hätte sie als Druckmittel ihre Streitkräfte oder politische Verbündete bemüht, so wäre es noch möglich gewesen, ihre Position anzuzweifeln. Doch da ihre militärische Stärke seiner in nichts nachstand, möglicherweise gar größer war, und sie außerdem die unumstößliche Macht besaß, die Finanzen einer jeden Familie im Clan zu untergraben, würde es nicht ein einziger der anwesenden Lords wagen, den früheren Clanlord zu unterstützen. Mit dem Ausdruck verblüffter Wut auf seinem dunklen Gesicht sann Lord Benshai angestrengt
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