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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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der Terrasse auf. Große Fackeln brannten auf Stäben in Keramikbehältern; ein Teppich war über den Steinen ausgebreitet und ein hölzernes Podest darauf errichtet, auf dem Tasaio saß und ein Weinglas zwischen den Fingern drehte, genau wie während der Aktion in der Wüste. Das Seeufer sah beinahe wie ein Kriegslager aus; die Krieger waren in voller Rüstung und übten den Angriff auf einen Hügel nahe am Ufer. Das sanfte Plätschern beim Füttern der Fische vermischte sich mit den Kommandorufen. Tasaio zu Füßen saß ein Junge, der erst kürzlich bei den Schreibern zu lernen begonnen hatte. Er hielt ein spitzes Kreidestück in den Fingern, die er fest anspannte, um das Zittern zu verbergen. Als der Lord in leisen, halb geflüsterten Sätzen über seine Leistung als Soldat berichtete, schrieb der Junge die Worte mit, die Stirn vor verzweifelter Anstrengung gerunzelt. Er wiederholte nur die Bemühungen des Schreibers, der ihm dieses Handwerk beibringen sollte, doch falls es dem Lord der Minwanabi einfallen sollte, sich seine Arbeit anzusehen, wurde er möglicherweise geschlagen, wenn er den willkürlich gesetzten Standard nicht erreichte.
    Die Krieger auf dem Hügel rückten zeitlich genau aufeinander abgestimmt näher, und vertieft in jede Einzelheit der Übung bemerkte Tasaio zunächst den Läufer nicht, der ehrerbietig vor ihm auf der obersten Stufe der Terrasse auf dem Boden lag. Der unglückselige Mann mußte seine Stimme erheben, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    »Was ist das!« blaffte Tasaio so plötzlich, daß der Schreiber die Tafel fallen ließ. Die Kreide hüpfte über den Teppich und rollte gegen die Stirn des Läufers, der sich förmlich in den Stein der letzten Stufe zu pressen schien.
    »Großer Lord, der Hamoi Tong-Meister hat Euren Ruf beantwortet und ist gekommen.«
    Tasaio wog kurz das Mißvergnügen, mit dem Tong zu sprechen, gegen die Unterbrechung der abendlichen Kampfübung ab. Die Befragung des Tong siegte. »Bring ihn her.« Dann, offensichtlich beschäftigt mit der Sache, die ihn ärgerte, warf er einen Blick auf die Tafeln des Lehrlings und verglich die unbeholfenen Schreibversuche mit der Schönschrift seines Lehrers. »Nimm das mit, und sei froh, daß ich dich damit nicht geschlagen habe.« Er bedeutete dem älteren Schreiber zu bleiben und warf noch einen kurzen Blick zu den Soldaten auf dem Hügel.
    Der Lehrling verneigte sich überschwenglich, versuchte angesichts des entwürdigenden Tadels nicht in Tränen auszubrechen und sammelte seine Schreibwerkzeuge ein. Er eilte davon und prallte dabei beinahe gegen den Hausdiener, der den herbeizitierten Besucher zum Podest des Lords führte.
    Der Tong-Meister – oder, in der alten Sprache, der Obajan war ein Mann von gewaltiger Statur, doch ohne ein einziges Gramm Fett. Bis auf eine lange Skalplocke, die oben am Hinterkopf zusammengebunden war und ihm über den Rücken fiel, war sein Kopf glattrasiert und mit roten und weißen Mustern tätowiert. Seine Nase war platt, die Haut tiefbraun, und die Ohren waren mehrfach durchstochen. Sein Schmuck bestand aus Knochennadeln und Ringen, die leicht klimperten, während er ging, und in seinem Ledergürtel waren jede Menge Schlaufen eingenäht, die die unterschiedlichsten Mordinstrumente enthielten: ein halbes Dutzend Dolche, ein schweres Würgeseil, Wurfsterne, Schlagringe, Giftphiolen und ein langes Metallschwert. Nach tsuranischem Standard galt er als Gesetzloser, und doch verlangte er von jeder Person, die ihm begegnete, denselben Respekt, der auch einem Herrscher oder einer Herrscherin zustand. Zwei in Schwarz gekleidete Attentäter begleiteten ihn, genau soviel, wie Tasaio ihm als Ehrengarde gestattete. Der Obajan trat zu Tasaio und verneigte sich leicht mit einer kurzen Bewegung des Kopfes. »Geht es Euch gut, Mylord?« Seine Stimme war ein unheilverkündendes Grollen.
    Tasaio ignorierte ihn bewußt einen langen Moment. Dann bejahte er die Antwort mit einem kurzen Nicken, erkundigte sich seinerseits jedoch nicht nach der Gesundheit des Tong-Meisters – eine eindeutige Beleidigung.
    Das Schweigen zehrte an dem Obajan. Säuerlich, als würde das Vermögen in Metall, das er von der Person auf den Kissen erhalten hatte, plötzlich wie geronnene Milch schmecken, fragte der Anführer der Tong: »Was wünscht Mylord von mir?«
    »Dies: den Namen desjenigen, der Euren Tong anheuerte, fünf Diener in meinem Haus zu ermorden.«
    Der Obajan hob unbedacht die Hand. Sofort rührten sich die

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