Zeit des Aufbruchs
hinter dem Podest aufgestellten Krieger, als wollten sie angreifen. Der riesige Mann erstarrte. Doch er war weder ein Sklave noch ein Mann mit schwachen Nerven. Er heftete seinen Blick fest auf seinen Gastgeber und fuhr mit der Hand langsam zum Kinn und kratzte sich. Seine Stimme klang schneidend, als er antwortete: »Lord Tasaio, der Auftrag kam von Euch.«
Tasaio schoß mit einer solchen Geschwindigkeit von seinen Kissen hoch, daß jetzt die beiden Attentäter zu ihren Schwertern griffen. Der Obajan bedeutete ihnen, ihre vorherige Position wieder einzunehmen. »Ich?« fragte Tasaio. »Ich habe das befohlen? Wie könnt Ihr es wagen, eine solche Lüge vorzubringen!«
Der Obajan kniff die Augen vor dem flackernden Licht der Fackeln zu einem Spalt zusammen und maß seinen Blick mit dem Tasaios. »Harte Worte, Mylord.« Er zögerte einen Augenblick, als würde er die Notwendigkeit abwägen, diesen Angriff auf seine Ehre als Beleidigung aufzufassen. »Ich werde Euch das Dokument zeigen, mitsamt Eurer Unterschrift und Eurem persönlichen Siegel.«
Zum ersten Mal in seinem Leben erschien Tasaio verblüfft und unbeholfen. Er setzte sich wieder. »Mein persönliches Siegel?« Seine Stimme klang eisig. »Laßt mich sehen;«
Der riesige Mann griff in seine Tunika und zog ein Pergament hervor.
Tasaio riß es ihm fast aus den rotgefleckten Händen. Er schlitzte die Schleifen mit dem Dolch auf, glättete das Dokument und las den Inhalt mit gerunzelter Stirn. Er drehte das Papier in diese Richtung und in eine andere und rief bellend nach einem Sklaven, der eine der Fackeln näher halten sollte, während er dem Obajan den Rücken kehrte. Er fuhr mit einem Fingernagel über das Siegel. »Beim Atem Turakamus«, murmelte er. Dann blickte er auf, und Mordlust stand in seinen Augen. »Welcher Diener hat diese Nachricht überbracht?«
Der Anführer der Tong zog an einem Ohrring. »Kein Diener, Mylord. Der Befehl wurde an dem üblichen Ort für solche Nachrichten hinterlassen«, sagte er ruhig.
»Es ist eine Fälschung!« zischte Tasaio wütend; das angeborene Naturell der Minwanabi brach in ihm durch. »Ich habe kein Wort davon geschrieben! Und auch keiner meiner Schreiber.«
Das Gesicht des Tong-Meisters blieb gelassen. »Ihr wart es nicht?«
»Das sagte ich gerade!« Der Lord der Minwanabi fuhr plötzlich herum, die Hand fest um den Schwertgriff gepreßt. Nur eine Geste ihres Anführers hielt die beiden Attentäter davon ab, sich wieder zum Zuschlagen bereitzumachen.
Tasaio stapfte von einem Ende des Podests zum anderen; wie ein hungriges Raubtier umkreiste er die massige Gestalt des Obajan. »Ich habe Euch ein Vermögen in Metall gezahlt, um mir zu dienen, nicht um verheerenden Schaden in meinem Haus anzurichten oder bei dem Befehl irgendeines Rivalen, der genug Verstand hat, ein Dokument zu fälschen, aufzuspringen! Irgendein Narr hat es gewagt, das Familiensiegel der Minwanabi nachzumachen. Ihr werdet ihn für mich finden. Ich will seinen Kopf.«
»Ja, Lord Tasaio.« Der Tong-Meister berührte mit der linken Hand die Stirn und bekräftigte damit seine Zustimmung. »Ich werde die Nachricht zurückverfolgen und Euch den Schuldigen in kleinen Stücken servieren.«
»Sorgt dafür.« Tasaio zog sein Schwert und schwang es mit einem aufheulenden Ton durch die Luft. »Sorgt dafür. Und jetzt geht mir aus den Augen, bevor ich Euch meinen Folterern übergebe, damit sie ein paar neue Methoden an Euch ausprobieren können.«
»Versucht nicht, mich zu erzürnen, Lord Tasaio«, erwiderte der Obajan. Er machte den beiden Attentätern ein Zeichen zurückzutreten, während er sich einen Schritt auf den Herrscher der Minwanabi zubewegte. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Die Hamoi sind keine Vasallen, das ist eine Tatsache, die Ihr Euch besser merken solltet. Ich bin der Obajan der Hamoi, und ich werde diese Sache erledigen, weil meine Familie entehrt wurde, so sehr wie Eure, nicht weil Ihr es befehlt. Das Schicksal hat uns einen gemeinsamen Feind gegeben, Mylord, doch wagt es nie wieder, mir zu drohen.« Er sah nach unten, und Tasaio folgte seinem Blick. Zwischen Zeigefinger und Daumen hielt der Mann einen kleinen Dolch, unsichtbar für alle anderen.
Der Lord der Minwanabi zuckte weder zusammen, noch trat er zurück. Er heftete seinen Blick einfach wieder auf die Augen des Obajan. Er wußte, der Mann mußte nur zucken, und die Klinge würde ihn töten, vermutlich noch bevor der Lord der Minwanabi sein Schwert emporreißen konnte.
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