Zeit des Aufbruchs
Wagen von Händlern zurückweisen, damit Ihr nicht einen Acoma-Spion hineinlaßt.«
Plötzlich war Tasaio am Ende seiner Geduld. »Glaubt Ihr wirklich, solch armselige Drohungen würden mir Sorgen bereiten, Mara? Mit Eurem Tod werden alle Eure Diener zu Sklaven und Grauen Kriegern. Welche Bedrohung könnte es für mich noch geben, wenn Ihr Futter für die Würmer seid?«
Mit hängenden Schultern, die nicht gespielt waren, holte Mara müde Luft. »Ich mache Euch einen Vorschlag.«
Tasaio trat einen halben Schritt vor. Er war auf unheimliche Art beherrscht und als Raubtier sogar schön; er zuckte nicht einmal mit der Wimper bei dem klatschenden Geräusch, als hundert Acoma-Soldaten mit den Händen an ihre Schwerter fuhren. Mit schneidender Stimme sagte der Lord der Minwanabi: »Ich habe kein Interesse, Mara. Mein Vorgänger schwor Turakamu unter dem Bluteid, daß diese Fehde mit der Auslöschung der Acoma endet. Wenn mir auch Desios Leidenschaften fehlen und ich den Schwur für bedauerlich halte, bin ich daran gebunden. Ich muß dafür sorgen, daß das Geschlecht der Acoma zu existieren aufhört. Über eine Alternative brauchen wir nicht zu sprechen. Unser Konflikt kann niemals aufhören.«
Mara spürte Arakasis alarmierte Haltung, doch sie fand keinen anderen Weg aus dieser Sackgasse. »Was haltet Ihr von … einer Aussetzung?«
Überrascht blinzelte Tasaio. »Was meint Ihr damit?«
»Eine Pause. Kein Ende unserer Feindschaft – sie wird niemals ruhen, ehe nicht die eine oder andere Familie zu Staub geworden ist –, sondern eine Aufschiebung unseres Konfliktes, bis im Kaiserreich wieder ein sicherer Friede herrscht.«
»Das Wohl des Kaiserreiches«, murmelte Tasaio. Sein Humor war spitz, aber trotz seines Sarkasmus war er fasziniert. »Sprecht weiter.«
»Ich schlage ein Treffen mit allen Herrschenden des Kaiserreiches vor, aber im Kaiserlichen Palast. Dort konfrontieren wir das Licht des Himmels damit, daß wir es für nötig halten, den Konflikt zu lösen, um eine Krise zu verhindern, die das Land in den Ruin stürzen würde. Oder würdet Ihr gerne ein Kaiserreich regieren, dessen östliche Grenze von den Thuril-Anführern und ihren marodierenden Hochland-Truppen beherrscht wird? Dessen nördliche Grenze jeden Frühling von Thun-Banditen überfallen wird, die tsuranische Köpfe als Trophäen suchen? Wünscht Ihr eine Rückkehr der Piraten zu den Inseln im äußersten Westen?«
»Ihr malt in der Tat ein trostloses Bild«, räumte Tasaio ein. »Wenn ich diesem Treffen zustimme, werdet Ihr dann die Stimmen übergeben, mit denen mir der Thron des Kriegsherrn ohne Blutvergießen sicher ist?«
»Solltet Ihr Euch entschließen, den Kaiser friedlich zu treffen, werde ich geloben, bis ans Ende meiner Kräfte alles zu unternehmen, um sicherzustellen, daß niemand vor Euch den Thron des Kriegsherrn besteigt.« Mara holte zitternd Luft. »Darauf gebe ich Euch meinen heiligsten Eid beim Namen meiner Familie und Ehre, von jetzt bis zur letzten Generation des Geschlechts der Acoma.«
Tasaio wölbte bei diesem heiligsten aller Schwüre die Augenbrauen. Eine skeptische Bösartigkeit schlich sich in seine Stimme: »Wenn Eure Ahnen es wert sind, daß auf sie geschworen wird wie lange möchtet Ihr den Waffenstillstand andauern lassen?«
Obwohl er die tödlichste Beleidigung überhaupt ausgesprochen hatte, wappnete Mara sich gegen irrationale Wut. Mehr als nur der Name ihrer Familie stand auf dem Spiel und mehr als die Angelegenheiten von Edlen – Bedienstete, Kinder, Handwerker und Tausende namenloser Sklaven und Sklavinnen würden leiden, wenn die Oberhäupter des Kaiserreiches sich auf einen sinnlosen Krieg einließen. Mara war nicht mehr die Frau mit dem begrenzten Blickwinkel wie einst, und sie tat, was sie sich vor dem Einfluß von Kevins fremden Ideen nie hätte vorstellen können: mehr noch, sie schluckte die Beleidigung der Familienehre hinunter. Zum Wohle des Kaiserreiches war längst nicht mehr nur ein dahingesprochener Satz, sondern ihr einziges Leitmotiv. Sie ging auf die Demütigung nicht ein und sagte: »Haltet Euren letzten Angriff zurück, bis ich nach Hause zurückgekehrt bin und mich um die Angelegenheiten dort gekümmert habe. Danach laßt uns den Kampf ohne Einschränkung bis zum bitteren Ende wieder aufnehmen.«
Ihr resignierter Tonfall brachte Tasaio zum Lachen. Er konnte nicht anders, als mit der Verletzlichkeit zu spielen, die sie ihm offenbart hatte. »Ihr geht bereits davon aus, meine Antwort
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