Zeit des Aufbruchs
zu kennen, Lady Ihr überschätzt meine Liebe für das Kaiserreich. Meine Ehre gehört mir, nicht meinem Volk.« Er blickte begierig an ihr auf und ab, um zu sehen, ob sie sich unbehaglich fühlte.
Doch Mara war vertraut mit seiner Bösartigkeit. Sie enthüllte nicht die leiseste Spur von Unbehagen, um ihm nicht die Lust an ihrer Qual zu gönnen.
Nach einer offensichtlichen Denkpause gestand Tasaio: »Wie auch immer, eine schnelle Lösung für meinen Aufstieg zum Weiß und Gold könnte mir einige unangenehme Schritte ersparen.« Er lächelte, und Mara erkannte, wie gut dieser Wahnsinnige seine Verderbtheit hinter militärischem Anstand und höflichen Manieren verbarg. »Ich stimme zu. Laßt den Hohen Rat vor das Licht des Himmels treten und seiner diktatorischen Herrschaft ein Ende setzen. Ihr werdet Eure Verbündeten zusammenbringen, und wenn der Augenblick da ist, werdet Ihr sie dazu bringen, meine Forderung zu unterstützen. Dann, wenn die Dinge sich so entwickelt haben, wie das Schicksal es verlangt, werdet Ihr sicher auf Euren Landsitz zurückreisen können, bis Ihr Eure Angelegenheiten in Ordnung gebracht habt. Aber seid gewiß, Mara, daß ich gegen Euch aufmarschieren werde. Bis dahin zählt die Stunden, die Ihr für Euren Dienst am Kaiserreich noch leben dürft.«
Mara war erschöpft und fühlte sich unaussprechlich traurig, als sie ihr Gelöbnis mit einer Verbeugung besiegelte. Sie wagte sich nicht zu fragen, wie ihr Vater oder ihr Bruder gehandelt hätten, wären sie noch am Leben oder wüßten von ihrem Engagement. Sie konnte nur hoffen, daß ein Krieg vermieden worden war, daß Menschenleben verschont geblieben waren und daß das ungeborene Kind in ihrem Bauch genug Zeit erhalten würde, um geboren werden zu können. Wenn sie oder Ayaki für den Pakt sterben würden, den sie soeben besiegelt hatte, würde vielleicht die Cho-ja-Königin einwilligen, ein neugeborenes Kind in aller Heimlichkeit aufzuziehen …
»Wann sollen wir uns treffen?« fragte Tasaio. Seine Stimme verriet seine Befriedigung.
»Übermorgen«, entschied Mara. »Benachrichtigt den Kaiser und die anderen Ratsmitglieder, und laßt mir Zeit, die Unterstützung zu beschaffen, die ich versprochen habe.«
»Es wird interessant sein zu sehen, ob die Lady ihre Verpflichtung erfüllen kann. Wenn sie ihren Eid bricht, wird sie die Stadt nicht lebend verlassen«, endete Tasaio. Er gewährte ihr den Hauch einer Verbeugung, kaum mehr als ein leichtes Kopfnicken. Dann fuhr er mit der Schnelligkeit eines Sarcats herum und kehrte in seine eigenen Reihen zurück.
Völlig niedergeschlagen von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, die größer war als alles, was sie bisher in ihrem Leben gekannt hatte, kehrte Mara in den Schutz von Lujans Truppe zurück.
Der kaiserliche Herold rief von der Seitenlinie: »Diese Besprechung ist beendet! Geht in Frieden und Ehren, und wisset, daß die Götter zufrieden sind, daß kein Blut in dieser Nacht vergossen wurde.«
Als Maras Offiziere der Armee der Acoma den Befehl gaben, die Formation aufzulösen, holte der Erste Berater der Minwanabi schon Luft, um seinem Herrn etwas zu sagen, doch Tasaio hielt ihm die Hand entgegen. »Sie ist besiegt, Incomo.« Er betrachtete Maras kleiner werdende Gestalt, und ein wissendes Lächeln trat auf seine Lippen. »Ich habe diesen Blick in den Augen von Kriegern gesehen, die auf dem Schlachtfeld auf den Tod gewartet haben.« Er zog die Schultern leicht hoch. »Oh, sie kämpfen gut, und sie machen ihren Ahnen Ehre, doch sie wissen, daß sie sterben müssen. Mara weiß, ich habe gewonnen.«
»Mylord«, bat Incomo, »ich wäre weniger als Euer pflichtbewußter Diener, wenn ich nicht darauf hinweisen würde, daß es in Eurer Einschätzung eine unerwartete Wendung geben könnte. Es stehen noch andere Dinge auf dem Spiel als die Frage, wer das Weiß und Gold erhält. Ichindar hat keinen Sohn gezeugt. In diesem Augenblick mögen viele der Kaiserlichen flüstern, daß die Zeit naht, da es nötig ist, ein anderes Mitglied des kaiserlichen Geschlechts auf den Thron zu setzen. Jiro von den Anasati könnte ihre Wahl sein; Kamatsu von den Shinzawai kann auf Verbindungen zur königlichen Familie verweisen, und sein Sohn wird sehr geachtet. Was, wenn Ihr erfahrt, daß dieses Angebot lediglich ein –«
Tasaio beendete abrupt die Spekulationen: »Mara weiß, ich habe gewonnen. Es ist vorbei.« Der Lord der Minwanabi war merkwürdig verstimmt, als hätte er eine Herausforderung genossen, die
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