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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Glücks führen – und die Hoffnungen auf den Weiterbestand des Namens der Acoma.
    Nur ein kleiner Hauch Gutes kam ihr bei all der Trostlosigkeit in den Sinn: Kevin würde das Desaster erspart bleiben, das ihrer Unterstützung des Kriegsherrn folgen mußte. Wenn die Äußerungen des Barbaren über die Gesetze des Königreiches und die Große Freiheit wirklich stimmten, dann würde dieser König Lyam ihn befreien. Er würde sein Leben in Zûn ehrenhaft zu Ende führen und dem bevorstehenden Irrsinn und Gemetzel entfliehen.
    Mara versuchte sich zu überzeugen, daß es für ihren Geliebten besser war, wenn er ging, doch die Logik linderte nicht die schneidende Qual in ihrem Herzen. Plötzlich merkte sie, daß sie die freie Hand auf ihren Bauch gelegt hatte, über den kleinen Funken Leben, der darin verborgen war. Wie ein heller Lichtstrahl durch eine Tür kam die Offenbarung. Sie begriff, daß sie alles, was sie in jener Nacht getan hatte, für Kevins Kind getan hatte. Sie und Ayaki waren echte Tsuranis, der jahrhundertealten Tradition hingegeben, wonach Ehre mehr galt als das Leben, und sie würden ohne zu zögern den Tod der Entehrung vorziehen. Doch der Geist, der in ihrem Bauch heranwuchs, war zur Hälfte midkemisch, und ohne es zu merken, hatte sie sein Recht anerkannt, mit den Werten seines Vaters aufzuwachsen. Mit der langsam dämmernden Erkenntnis kam auch die Angst, als Mara von den Acoma verstand, daß sie wieder einmal die Grenzen ihrer Kultur überschritten hatte. Sie hatte dem gewöhnlichen Volk im Kaiserreich mehr Beachtung geschenkt als ihrem Familiennamen; früher einmal wäre sie überzeugt gewesen, daß ein solches Konzept ihren Vater und ihre Ahnen beschämte, ja den Zorn von Tsuranuannis vielen Gottheiten heraufbeschwor.
    Jetzt konnte sie sich keine andere sinnvolle Wahl mehr vorstellen.
    Hin und her gerissen zwischen ihren Tränen und dem erleichternden Wissen, daß schon bald, sehr bald die Jahre des Kummers beendet sein würden, kam Mara wieder zu sich. Sie löste ihre Finger aus denen von Saric und betupfte sich unbeholfen die Augen. »Ich werde die Dienste meiner Zofe benötigen«, brachte sie zitternd hervor. »Kevin darf nicht sehen, daß ich mich aufgeregt habe.«
    Saric wollte sich schon erheben und verbeugen, doch ein kurzes Kopfschütteln von Mara hielt ihn noch zurück. »Schickt Keyoke die Nachricht, daß alle unsere Sklaven aus der anderen Welt direkt zur Stadt der Ebene geschickt werden sollen. Dann wählt unsere stärksten Krieger, um Kevin zu der Bühne zu bringen, die der Kaiser für die Midkemier ausgewählt hat, wo auch immer das sein mag. Sagt niemandem außer Lujan etwas davon, damit die Bediensteten sich nicht unvorsichtigerweise verplappern.« Hier hielt Mara inne und räusperte sich. »Denn mein Liebhaber hat ein sehr widerspenstiges und dickköpfiges Wesen. Obwohl er sich nach seiner Freiheit sehnt, würde er vermutlich darüber streiten, in welcher Weise sie ihm gewährt wird.«
    Die Lady war unfähig fortzufahren, doch Saric verstand. Kevin hatte sich niemals den Regeln unterworfen, es sei denn freiwillig oder aufgrund von roher Gewalt. Er hatte sich als furchterregender Kämpfer erwiesen, und niemand konnte vorhersagen, wie er reagieren würde, wenn sie ihn von ihr trennten. Um seines eigenen Schutzes willen und dem Leben der Krieger, die ihn der Obhut des Kaisers übergeben mußten, durfte er nichts von dem Schicksal erfahren, das ihn erwartete.
    Traurig verneigte Saric sich vor der Weisheit seiner Herrin; er hatte den merkwürdigen Humor des Midkemiers zu schätzen gelernt. Als er davoneilte, um die Zofe zu ihr zu schicken, dachte er, daß er niemals zuvor einen trostloseren Ausdruck in den Augen einer Frau gesehen hatte.

    Die Nacht verging für Mara in schrecklicher, unruhiger Qual. Während der Butana über das Dach heulte, liebten Kevin und sie sich verzweifelt; nach dem letzten Mal weinte sie in Kevins Armen. Er streichelte sie mit einer Zärtlichkeit, die ihr beinahe das Herz brach. Er selbst verbarg seinen Schmerz darüber, daß sie schwieg, über ihre Ängste nicht sprach, in dem aufrichtigen Bemühen, sie zu trösten.
    Mara klammerte sich immer hysterischer an ihn. Es war, als wäre ihre Welt völlig aus den Fugen geraten; sie konnte sich kein Leben ohne die stete Gegenwart des Mannes vorstellen, der sie veranlaßt hatte, jeden Aspekt ihrer Überzeugungen zu überprüfen, der sie gezwungen hatte, die Mängel ihrer Kultur zu erkennen. Kevin war mehr als nur ein

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