Zeit des Aufbruchs
angesichts des quälenden Schreckens der letzten Stunde an etwas anderes zu denken. »Ich fange an zu erkennen, was mein Vater an Euch bewundert hat«, begann er und hielt inne, als er ebenso wie alle anderen im Raum von einem seltsamen, schleichenden Gefühl erfaßt wurde.
Kevin wirbelte herum; die leeren Hände griffen nach einem Schwert, das er nicht länger besaß. Ein Blick auf Lujan zeigte ihm, daß auch der Kommandeur in die Schatten blinzelte und die Quelle dieser unnennbaren Bedrohung zu ergründen suchte.
Dann hörten sie ein schwaches Zischen, als würde Dampf aus einem Topf entweichen. Sie alle spürten, wie ihre Blicke von einer Stelle auf dem Fußboden angezogen wurden, wo ein grünes Lichtkorn langsam Gestalt annahm. Selbst die abgehärtetsten Krieger wichen instinktiv zurück, und jene von ihnen, die Waffen trugen, griffen danach.
Das Glühen verstärkte sich, bis es den Schein der einzigen Lampe überstrahlte. Ihre Augen brannten und tränten von dem grellen Licht, und die Manifestation einer unheimlichen Kraft verschaffte allen eine Gänsehaut.
»Magie!« zischte Lord Iliando. Der Schimmer überzog das geweitete Weiß seiner Augen jetzt mit einem kranken Grün.
Der Fleck wurde heller und schwoll an, dann verwandelte er sich in eine geschlängelte Form, die sich hin und her wand und in der Luft wogte. Niemand konnte sich rühren, denn die Wirkung des Lichts war hypnotisierend.
Das Phänomen materialisierte sich zu einer schrecklichen, glühenden Erscheinung. Funkelnde Augen und ein keilförmiger Kopf erschienen, und ein tödlicher, spitz zulaufender Schwanz krümmte sich über dem Boden.
»Eine Relli!« stieß Hoppara atemlos hervor.
Kevin kannte die giftige Schlange Kelewans, doch diese hier überragte selbst die größte Flußviper, die er jemals gesehen hatte. Sie war mehr als einen Meter lang und schimmerte mit einem grünen Leuchten, das den gesamten Raum in ein teuflisches Glühen tauchte. Die Kreatur glitt ein paar Zentimeter weiter, den Kopf leicht erhoben, die gespaltene Zunge zwischen Giftzähnen zuckend, als wollte sie die Luft schmecken.
Kevin warf Lujan einen Blick zu; der Kommandeur umklammerte die in der Scheide steckende Waffe mit verkrampften Fingern. Selbst ein so begnadeter Schwertkämpfer wie er war nicht in der Lage, schnell genug das Schwert zu ziehen, um vor der Schlange zuzuschlagen.
Mara saß immer noch auf der Matte, sie atmete kaum und flüsterte: »Niemand darf sich bewegen.«
Wie als Antwort auf ihre Stimme erschütterte ein tiefes Summen die Luft. Der Schlangenkopf schnappte in Richtung der Lady der Acoma. Die Augen leuchteten und schienen schaurig durch den Körper des Soldaten hindurchzuschimmern, der zwischen ihnen kniete, die Schüssel auf den Knien und die eine Hand erhoben, um das Gesicht seiner Herrin zu waschen.
Die magische Erscheinung krümmte sich zu einer Seite. Der schräge Kopf rückte näher an Mara heran, und der Schwanz ringelte sich plötzlich zusammen. Der Kopf hob sich und beugte sich nach hinten.
Lujan nickte Kevin zu, der langsam und lautlos einen Schritt zurücktrat. Jetzt, da er genügend Platz hatte, um das Schwert zu schwingen, zog der Kommandeur blitzschnell die Waffe. Die Klinge glitt aus der Scheide und fuhr im Bogen herab, auf den Nacken der Kreatur zu.
Doch Wesen, die mittels geheimer Künste beschworen worden waren, konnten auch die kleinste Bewegung wahrnehmen. Die schlangenähnliche Kreatur erhob sich zu voller Höhe, dann schlug sie mit ungeheuerlicher Geschwindigkeit zu.
Lujans Schwert zerschnitt nichts als Luft, und Mara schrie entsetzt auf. Der Krieger neben ihr warf sich mit seinem Körper vor sie, und der Inhalt der Schüssel ergoß sich auf den Boden. Die glühende Erscheinung verfehlte ihr Ziel. Giftzähne bohrten sich wie spitze Pfeile durch die laminierte Rüstung, als wäre es weicher Stoff. Der keilförmige Kopf folgte, verschwand im Körper des Kriegers wie Flüssigkeit in einem Loch, und das kranke Leuchten strömte hinterher.
Für einen Augenblick kroch ein Schatten in den Raum.
Dann schrie der Krieger. Seine Hände fuchtelten voller Schmerz in der Luft herum, und jetzt begannen seine Augen grün zu leuchten. Das Licht wurde heller, verteilte sich in einer brennenden Flut auf seiner Haut, funkelte erst, blendete dann. Der Raum war alles andere als dunkel. Dann begann sich das Fleisch selbst zu verziehen, legte sich in Falten und krümmte sich. Das Weiße in den Augen des Mannes schwoll an und schrumpfte
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