Zeit des Aufbruchs
Mauer, die den Garten zur Nachbarseite abgrenzte. Ein gähnendes Loch war darin. »Sie sind aus der Wohnung neben uns gekommen«, erklärte er langsam. »Deshalb strömten so viele von hinten nach.«
Lujan hielt Mara ein Schwert zur Begutachtung hin. »Einige der Attentäter besaßen Metallschwerter.«
»Bei den Göttern!« rief Mara aus. »Das ist die Klinge eines Herrschaftshauses!« Sie untersuchte die Waffe genauer und runzelte die Stirn. »Doch das Heft ist blank. Es ist kein Zeichen von einem Clan oder Haus darauf.« Sie deutete brüsk auf den Flur. »Die Männer sollen die Toten untersuchen. Ich will wissen, ob noch mehr solcher Klingen gefunden werden.«
»Was ist daran so Besonderes?« Kevin verließ die Fensterbank und reichte Mara seinen Arm. Sie schien immer noch zu zittern. Er führte sie langsam an den Gefallenen vorbei zum Flur.
Einen Schritt entfernt von ihnen stand Lujan. »Es existieren nur wenige richtige Metallschwerter im Kaiserreich«, erklärte er. »Jedes Haus, dessen Ahnenreihe bis zum Beginn unserer Geschichte zurückreicht, besitzt eines, zumindest heißt es so. Nur der Herrscher des Hauses hat Zugang zu einer solchen Klinge. Sie sind unbezahlbar und für die Ehre eines Hauses nach dem Natami am bedeutendsten.«
Mara nickte zustimmend. »Es gibt ein Familienschwert der Acoma, das vor mir meinem Vater gehört hat. Ich bewahre es für Ayaki auf. Es ist eine seltene Metallwaffe.«
Sie erreichten den blutgetränkten mittleren Raum. Die Acoma-Soldaten waren bereits damit beschäftigt, die Toten beiseite zu schaffen. Fünf weitere Metallschwerter standen an eine Wand gelehnt, zusammen mit Kevins waren es also sechs. »Diese fanden wir bei den toten Attentätern, Kommandeur.«
Lujan blickte ehrfürchtig auf die Klingen. »Woher mögen sie stammen?«
»Minwanabi?« fragte Kevin.
Die Lords der Xacatecas und der Bontura betraten den Raum von der Vordertür, beide so blutverschmiert wie Mara. Das Glitzern des Metalls im flackernden Schein der Lampe erregte ihre Aufmerksamkeit, und auch sie untersuchten die Waffen.
Kevin wischte sein Schwert an seinem Sklavengewand ab. »Dies hier ist neu«, sagte er ruhig. »Man sieht noch schwach die Zeichen vom Schleifrad und den Abdruck des Hammers vom Waffenmacher.« Er betrachtete es ein weiteres Mal. »Es ist kein Zeichen des Waffenmachers darauf«, fügte er schließlich hinzu.
Alle sahen ihn an. Iliando sog hörbar den Atem ein und wollte schon zum Protest ansetzen, als Hopparas Neugier seiner Antwort zuvorkam. »Wer besitzt die Fähigkeit, alte Waffen herzustellen?«
Kevin zuckte mit den Schultern. »In meinem Volk ist die Kunst weit verbreitet. Jeder gute Schmied könnte dies hier nachmachen, denke ich.«
Iliando wollte nicht zulassen, daß er im Vergleich zu einem jüngeren Lord ungehobelt wirkte, und so nahm er die Klinge an sich und gab ebenfalls, wenn auch etwas steif, seinen Kommentar ab. »Es ist scharf, aber nicht so schön wie die unserer Ahnen. Es könnten Nachbildungen aus nicht ganz so hochwertigem Metall sein.«
»Doch woher bekommt jemand solch wertvolle Dinge?« fragte Hoppara.
»Aus meiner Welt«, schlug Kevin vor.
Die Lords tauschten Blicke aus; der korpulente war erstaunt über das direkte, offene Verhalten des Sklaven. Doch niemand unterbrach ihn, als er fortfuhr. »Nach einem Kampf sammelten eure Soldaten gewöhnlich die Schwerter und Rüstungen als Beute ein. Wenn jemand seine Hände auf genügend Eisen hat, einen guten Schmied kennt und ihm eines eurer Ahnenschwerter zeigt…« Er machte eine kleine Bewegung mit der Waffe. »Sagen wir, er macht es nach. Diese Klinge ist nicht sehr viel anders als die, die vom Bergvolk der Hadati in meiner Heimatwelt benutzt werden. Ein Schmied aus Yabon könnte so etwas ohne Schwierigkeiten herstellen, und vielleicht ist einer von ihnen als Gefangener bei einem eurer Lords.«
»Minwanabi«, sagte Mara. Ihre Stimme überschlug sich beinahe bei dem Namen. »Sämtliches Metall, das von der anderen Seite des Spalts als Beute hierhergeschafft wurde, ist Eigentum des Kaiserreiches. Einiges wurde als Tribut an die Tempel gesandt, anderes landete in der kaiserlichen Schatzkammer, und der Rest diente zum Unterhalt der Armee auf Midkemia. Doch die Sammlung wurde vom Kriegsherrn überwacht und in seiner Abwesenheit von seinem Stellvertretenden Kommandeur. Tasaio diente fünf Jahre in dieser Position. Das ist genügend Zeit für einen Mann ohne Skrupel, Schmuggelware auf den Landsitz seines Cousins
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