Zeit des Aufbruchs
Wachposten zögerte, und Mara rauschte an ihm vorbei, bevor er sich sammeln und etwas erwidern konnte. Kevin zwang sich, ihr zu folgen, ohne noch einen Blick über die Schulter zu werfen, damit der kaiserliche Soldat nicht auf die Idee kam, wegen seines ungehorsamen Verhaltens seine Meinung über seinen Wert zu ändern.
Die Halle schien im Vergleich zum vorangegangenen Tag nur spärlich besetzt zu sein, und die anwesenden Lords waren deutlich unterwürfiger. Mara erwiderte ein paar Grüße auf dem Weg zu ihrem Platz, während sie sich mit schnellen Blicken ein Bild von den leeren Plätzen verschaffte. »Mindestens fünf Lords der Omechan fehlen«, murmelte sie Arakasi zu.
Sobald sie auf dem Stuhl Platz genommen hatte, setzte hektische Betriebsamkeit ein. Ein Dutzend Mitteilungen wurden ihr von Soldaten überbracht, die sich lediglich verbeugten und ohne auf Antwort zu warten wieder verschwanden. Mara überflog sie alle rasch, dann reichte sie sie an Arakasi weiter, der sie in seine Tunika steckte, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Wir haben gewonnen«, sagte sie verwundert.
Sie deutete auf einen Bereich, der während der vergangenen Woche leer gewesen war. Jetzt strebten sorgfältig gekleidete Edle auf ihre Sitze zu, deren Krieger nicht so aussahen, als seien sie in Kämpfe verwickelt gewesen. »Die Partei des Blauen Rades ist hier.«
Arakasi nickte. »Lord Kamatsu von den Shinzawai kommt, um mit den anderen zu handeln, um jeden nur möglichen Vorteil für den Lord der Keda herauszuschlagen. Er und der Lord der Zanwai werden nicht viel mehr tun, als ihre Gruppe davon abzuhalten, in den ersten zehn Minuten massenweise überzulaufen.«
Mara blickte auf die Gruppe; sie suchte das vertraute Gesicht Hokanus. Nur ein Soldat mit dem hohen Federbusch eines Kommandeurs trug das Blau der Shinzawai, und er war ein Fremder. Offensichtlich war es dem Erben der Shinzawai nicht mehr gestattet, dort zu erscheinen, wo sein Leben in Gefahr war. Mara spürte Enttäuschung in sich aufsteigen.
Stille breitete sich im Raum aus, als schließlich die zwei ranghöchsten Lords eintraten. Axantucar, jetzt Lord der Oaxatucan, trat in genau demselben Augenblick zu seinem Stuhl wie Tasaio. Beide hatten eine Überheblichkeit an sich, als wären sie die einzigen Männer von Bedeutung in diesem Raum. Keiner von ihnen machte sich die Mühe, in die Richtung seines bedeutendsten Kontrahenten zu blicken.
Sobald die beiden Kandidaten saßen, standen einige Lords auf und taten so, als wollten sie sich entweder mit Tasaio oder Axantucar beraten. Jeder blieb einen Augenblick stehen, als hätte er einen kurzen Gruß ausgesprochen, und kehrte dann zu seinem Platz zurück.
»Was tun sie da?« fragte Kevin.
»Sie stimmen über das Amt des Kriegsherrn ab«, antwortete Arakasi. »Durch diesen Akt versichert jeder Lord dem Bewerber seine Treue, den er als Träger des Weiß und Gold bevorzugt. Die noch Unentschiedenen« – eine schnelle Handbewegung umfaßte den Raum – »sehen zu und wählen dann.«
Kevin sah nach unten und bemerkte, daß Mara das Große Spiel angestrengt verfolgte. »Wann gehst du zum Lord der Oaxatucan?«
»Noch nicht.« Mara legte die Stirn in Falten, als sie die Edlen betrachtete, die entweder zum Lord der Oaxatucan oder zu dem der Minwanabi schritten.
Dann, ohne einen Grund, der fremden Augen eingänglich gewesen wäre, stand Mara plötzlich auf und stieg die Treppen hinunter. Sie durchquerte die unterste Ebene des Raums, als wollte sie auf Tasaio zugehen. Stille breitete sich aus, und alle Augen richteten sich auf die schlanke Frau, die geradewegs auf den Stuhl der Minwanabi zuzugehen schien. Dann änderte sie leicht ihre Richtung und stand mit drei kurzen Schritten neben dem Sitz von Hoppara von den Xacatecas. Sie sprach kurz mit ihm und kehrte an ihren Platz zurück.
»Was war das? Könnte der Junge das Amt übernehmen?« flüsterte Kevin.
Arakasi antwortete. »Es ist ein Trick.«
Jetzt rührten sich einige andere Lords und sprachen mit Hoppara, und bald war klar, daß sich kein anderer Bewerber mehr einmischen würde. Kevin rechnete schnell nach und meinte: »Es steht ungefähr gleich. Ein Viertel für die Minwanabi, ein Viertel für die Oaxatucan, ein Viertel für die Xacatecas und ein Viertel, das noch unentschieden ist.«
Einen ausgedehnten, reglosen Augenblick lang geschah nichts. Die Lords saßen in ihren schönen Kleidern da, sahen sich um und sprachen mit ihren Beratern oder Dienern. Dann stand der eine oder
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