Zeit des Aufbruchs
Herrschen.«
»Ich habe den Mantel der Acoma niemals gewollt«, entgegnete sie in einem warnenden, scharfen Tonfall.
»Ich weiß«, sagte er leichthin, ohne sich auf ihre Herausforderung einzulassen. »Das ändert nichts daran, daß du es jetzt liebst.«
Mara gestattete sich eine hemmungslose Grimasse. »Niemand hat dich um deine Meinung gefragt.«
Sie hatte seine Aussage nicht geleugnet. Für Kevin war das soviel wie ein Eingeständnis, daß er recht hatte. Als sie sich zufrieden gegen seine Schulter lehnte, verfolgte er seine Schlußfolgerungen schonungslos weiter. »Der Mann, der dich umwirbt, ist kein Schwächling. Ist er erst einmal dein Ehemann, wird er befehlen, und wenn ich die tsuranische Tradition nicht falsch verstehe, wirst du für immer die Herrschaft verlieren.« Er grinste diabolisch. »Also, wirst du ihn heiraten?«
Mara streckte die Hände aus, packte seinen Bart und zupfte neckend daran. »Narr!« Bevor er aufheulen konnte, ließ sie halb lachend wieder los. »Vielleicht.« Als seine Augen sich weiteten, fügte sie hinzu: »Aber nicht jetzt. Der politische Zeitpunkt ist falsch, und ich muß mich erst noch um ein paar Dinge kümmern.«
»Die da wären?« fragte Kevin in plötzlich humorloser Betroffenheit.
Mara hatte kaum bemerkt, daß hinter seinem Geplänkel eine nagende Unsicherheit verborgen lag. Jetzt verzog sich ihr Gesicht grimmig. »Zum Beispiel die Vernichtung von Tasaio von den Minwanabi.«
Der Tisch war festlich gedeckt. Papierlaternen warfen Muster aus kleinen Lichtpfeilen auf den Tisch und verstärkten den vollen, dunkelroten Glanz des Weines, den die Diener zum Mahl reichten. Die Platten und das Geschirr waren vom Besten, was die Schränke hergaben, und weder Mara noch ihr Gast hatten es eilig, die letzten süßen Kuchen mit Sauce aufzuessen. Hokanu saß gemütlich auf den Kissen, doch seine entspannte Haltung war vorgetäuscht. »Ich verstehe das natürlich.«
Sein Ton war milde, nicht überrascht und vollkommen ohne Vorbehalte. Doch Mara kannte ihn zu gut, um nicht die kleine, ruhige Pause zu bemerken, die er benötigt hatte, um seine Fassung in dem Augenblick wiederzuerlangen, da sie ihm aus politischen Gründen ihre Ablehnung seines inoffiziellen Heiratsangebotes mitgeteilt hatte. Er wirkte nicht gequält – zumindest war da nicht die wütende Bitterkeit, die Jiro gezeigt hatte, als sie seinen Bruder vorgezogen hatte, und auch nicht jener Ausdruck eines geprügelten Hundes, den Kevin in seinen düsteren Stimmungen zeigte –, doch die Zurückweisung hatte ihm einen deutlichen Stich versetzt.
Seine Trauer tat ihr weh, wenn sie auch nicht unerwartet kam. »Ich bitte Euch«, fügte sie weniger gelassen hinzu, als sie beabsichtigt hatte. »Ihr müßt mein Herz kennen.«
Hokanu blickte auf seine Hände, die reglos das Weinglas umfaßten. Spontan wünschte Mara, sie könnte über den Tisch greifen und seine langen, schönen Finger in ihre Hände nehmen. Doch das wäre peinlich gewesen, wenn nicht sogar unschicklich … Sie weigerte sich, seine Frau zu werden. Doch trotzdem konnte sie ihr Bedauern nicht ganz verbergen. »Ich … bewundere Euch mehr, als Ihr denkt. Ihr habt all das, was ich mir von einem Vater meiner Kinder wünschen könnte. Aber wir herr—
sehen beide über ein großes Haus, würden es in ein bewaffnetes Lager verwandeln … Wo würden wir leben? Auf diesem Landsitz, umgeben von Soldaten, die Euch gegenüber nicht loyal sind? Oder auf den Besitztümern Eures Vaters, mit Soldaten, die mir gegenüber nicht loyal sind? Können wir von Männern, die auf den Natami unserer Häuser geschworen haben, verlangen, daß sie den Befehlen eines anderen Hauses gehorchen, Ho-kanu?«
Der Klang seines Namens, wie nur sie ihn aussprechen konnte, brachte ein bittersüßes Lächeln auf sein Gesicht, und bei ihren Worten wölbte er überrascht die Brauen. »Mara, ich nahm an, daß Ihr mit mir auf dem Besitz meines Vaters wohnen würdet und daß wir jemanden Eurer Wahl als Regent für Ayaki ernennen würden, bis er selbst alt genug wäre.« Hokanu machte eine geringschätzige Handbewegung, die gegen sich selbst gerichtet war. »Lady, vergebt mir diese gedankenlose Annahme. Ich hätte wissen müssen, daß von allen Frauen gerade Ihr nicht in der althergebrachten, üblichen Weise reagieren würdet.« Ironie stahl sich in sein Gesicht. »Ich habe Euren unabhängigen Geist bewundert. Aus Euch eine gewöhnliche Frau zu machen wäre das gleiche wie einen Li-Vogel einzusperren, das
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