Zeit des Aufbruchs
der Überzeugung gesucht, daß sie durch Hokanus Aufstieg zum zukünftigen Herrscher verschont bleiben würde, da politische Überlegungen ihn zwingen würden, nach einer besseren Verbindung Ausschau zu halten. Keine ihrer nüchternen Überlegungen hatte sie auf diesen Augenblick vorbereitet.
Sie fühlte Hokanus Blicke auf sich, spürte seine unausgesprochene Anteilnahme an dem inneren Aufruhr, den seine Worte verursacht hatten. Und er half ihr in jener charmanten Weise, die treffsicher ihre Verteidigung niederriß.
»Ich habe Euch überrascht.« Entschuldigung klang in seiner Stimme. »Ihr dürft Euch nicht unbehaglich fühlen. Gestattet mir, mich zurückzuziehen und Euch Zeit zum Nachdenken zu geben.« Er stand in Gedanken versunken auf, durch und durch ein Edler. »Lady, wie auch immer Ihr Euch entscheidet, macht Euch um meine Gefühle keine Sorgen. Ich hebe Euch mit all meiner Ehre, doch ich liebe Euch auch um Euretwillen. Ich könnte keine Minute genießen, die Euch in meiner Gegenwart kein Vergnügen bringt. Sucht Euer eigenes Glück, Lady Mara. Ich bin Manns genug, mein eigenes zu finden.«
Mara war sprachlos, die Hände gegen den Ansturm unbehaglicher Gefühle zusammengepreßt. Als sie die Augen hob, war er fort. Sie hatte seine Schritte nicht gehört und mußte zweimal hinsehen, um sicher zu sein, daß das Zimmer leer war. Mit zitternden Fingern griff sie nach ihrem Weinglas und trank es in einem Zug aus. Dann starrte sie auf den leeren Kelch und das unberührte Essen. Kevins Gesicht vermischte sich mit dem Hokanus, bis sie den Druck, den das Gefühl der Ausweglosigkeit in ihr entfachte, am liebsten den Wänden entgegengeschrien hätte.
Sie hatte keine Wahl, kein bißchen, und das Dilemma zwischen Liebe und ehrenvoller politischer Notwendigkeit schmerzte wie Dornen.
»Gütige Götter, was für ein Wirrwarr«, murmelte sie und begriff zu spät, daß sie nicht mehr allein war. In aufrichtiger und edler Fürsorge hatte Hokanu nach ihrer Beraterin geschickt, um ihr über diesen schwierigen Augenblick hinwegzuhelfen.
Immer noch schwach von der Krankheit, brachte Nacoya mit einem Kopfschütteln ihre Herrin zum Schweigen. »Kommt«, sagte die alte Frau energisch. »Wir bringen Euch jetzt erst einmal in Eure eigenen Gemächer. Wir können reden, wenn Ihr es Euch etwas bequemer gemacht habt.«
Mara ließ sich von Nacoya aufhelfen. Sie folgte ihr durch den Korridor, ohne zu sehen, wo sie überhaupt hinging, oder den Boden unter ihren Füßen zu spüren. »Kümmert sich jemand um Hokanu?« fragte sie mit matter Stimme.
»Saric hat sich bereits seiner angenommen. Lujan wird einige Wettkämpfe mit den Soldaten veranstalten.« Nacoya schob den Laden zu Maras Gemächern zurück und rief ein halbes Dutzend Zofen und Dienerinnen zu sich. »Badewasser«, sagte sie kurz angebunden. »Und hinterher etwas Leichtes und Bequemes zum Anziehen für die Mistress.«
Mara stand da, die Arme hölzern vor sich ausgestreckt, während die Zofen die Holzhaken und Schlaufen an ihrer Robe lösten. »Es ist unmöglich!« rief sie aus. »Es ist der falsche Zeitpunkt.«
Nacoya schnalzte mit der Zunge. »Die Shinzawai sind eine sehr alte Familie, deren Ehre den meisten anderen gleichkommt, doch ihre Rolle in dem mißglückten Versuch, dem Kaiserreich Frieden zu bringen …«
Mara war amüsiert über den Wechsel zur harten Politik und trat aus dem Gewand. Mechanisch kletterte sie in das kühle Bad, das ihre Dienerinnen bereitgestellt hatten, und saß bebend da, während zwei Zofen ihr den Rücken wuschen. »Was ist los mit mir? Warum kann ich nicht einfach nein zu ihm sagen und die Angelegenheit aus meinem Kopf verbannen?«
Nacoya antwortete indirekt. »Tochter, es gibt keinen sicheren Weg, das Herz zu beherrschen.«
»Mein Herz hat damit nichts zu tun!« fauchte Mara mit einer Schärfe, die ihre Worte Lügen strafte. »Was ist Hokanu mir mehr als ein Mittel zum Zweck?«
Die Erste Beraterin setzte sich auf ein Kissen und schlang die knotigen Hände um die Knie. Sie sagte nichts, während Mara ein Bad über sich ergehen ließ, das sie nicht genoß. Nach einer angemessenen Zeitspanne stand sie auf und stieg aus der Wanne. Mit finsterer Miene wartete sie, bis die Zofen sie abgetrocknet hatten.
Nacoya brach das Schweigen erst, als eine andere Zofe mit einem leichten Tagesgewand gekommen war. »Mistress, solange ich mich erinnern kann, zählen die Shinzawai zu den ehrenvollsten Familien im Kaiserreich. Der alte Lord Shatai, Kamatsus
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