Zeit des Aufbruchs
deutlich, als wenn sie laut gerufen hätte. Er beugte sich zur Betonung weiter vor. »Mein Bruder ist auf der anderen Seite des Spalts zurückgeblieben, und es wird jetzt mir zufallen, eines Tages die Herrschaft von meinem Vater zu übernehmen.«
Mara nickte; sie spürte seine große Trauer über den plötzlichen Verlust Kasumis. Die Jungen waren wie Brüder erzogen worden, und Hokanus Schmerz saß tief.
»Als ich Euch zum ersten Mal traf …« Hokanu bekämpfte die Trauergefühle und lächelte trocken. »Ich muß zugeben, Lady, ich empfand Bedauern, als ich Euch das erste Mal sah.«
Mara konnte nicht anders, sie brach in befreites Lachen aus.
»Ihr habt eine merkwürdige Art, Komplimente zu machen, Ho-kanu.«
Sein Lächeln verstärkte sich, und die Augen strahlten voller Freude, als er die leichte Röte auf ihrem Gesicht sah. »Ich sollte es anders ausdrücken, schöne Lady. Mein Bedauern war besonders heftig, weil es sich um Eure Hochzeit handelte.«
Bei dieser Erinnerung nahm Maras Gesicht einen bittersüßen Ausdruck an. »Mit dieser Hochzeit war insgesamt ziemlich viel Bedauern verbunden, Hokanu.« Und wieder überfiel sie ein Schauder bei dem unausgesprochenen Wissen, daß er es wußte, daß sie es nicht noch erklären mußte.
»Mara«, sagte er, und er sprach das Wort so sanft aus, als wäre es eine zärtliche Liebkosung. »Wir beide haben unseren Ahnen gegenüber große Pflichten zu erfüllen. Ich wuchs mit dem Wissen auf, daß mein Beitrag darin liegen würde, die Beziehungen meiner Familie durch eine Heirat zu verbessern. Ich habe immer angenommen, daß mein Vater mich mit der Tochter des einen oder anderen Lords verheiraten würde. Aber jetzt …«
Mara beendete seinen Gedanken. »Jetzt seid Ihr der zukünftige Herrscher eines ehrenvollen Hauses.«
Hokanus Erleichterung war offensichtlich. »Und andere Überlegungen kommen ins Spiel.«
Mara fühlte, wie Hoffnung in ihr aufstieg, vermischt mit einer schmerzenden Enttäuschung darüber, daß sie ihn möglicherweise die ganze Zeit mißverstanden hatte. Er empfand etwas für sie, und er wußte, daß sie seine Gegenwart genoß, und daher versuchte er freundlich und einfühlsam seine Aufmerksamkeit zurückzuziehen, ohne ihre Gefühle zu verletzen. »Ich weiß, daß politische Überlegungen mit den Interessen Eures Herzens in Konflikt geraten könnten.« Sie versuchte es ihm einfacher zu machen.
»Mara, bisher suchte ich Euch auf, weil ich die Hoffnung hegte, Ihr würdet meinen Vater bitten, mich als Gatten zu gewinnen.« Das Zögern verschwand aus seinen Augen wie Wolken, die Sonnenstrahlen wichen, und ein verschmitztes Lächeln
breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Unsere Rollen als Herrscherin und zweiter Sohn zwangen mich zu schweigen. Jetzt, als Erbe, kann ich einen anderen Vorschlag machen.«
Maras Lächeln erstarb. Er hatte nicht vor, ihr höflich zu erklären, daß er ihr nicht länger den Hof machen konnte! Statt dessen war er auf ein Heiratsangebot aus. Angst überfiel sie, traf sie an ihrer verletzlichsten Stelle, und sie sah sich schlagartig der dornigen Frage gegenüber, wie sie über ihre Zukunft mit Kevin entscheiden sollte. Sie bemühte sich, nicht die Kontrolle zu verlieren. »An was habt Ihr gedacht?«
Hokanu zögerte, was ungewöhnlich für ihn war. Er spürte ihre Verwirrung und war unsicher über den Grund. Dadurch wurde eine andere Wortwahl notwendig, und seine Hand umklammerte instinktiv die Tischkante, als würde er einen Schlag erwarten. »Ich frage dies informell, denn ich möchte keine öffentliche Zurückweisung, solltet Ihr nein sagen. Doch wenn Ihr wollt, werde ich dafür sorgen, daß der Erste Berater meines Vaters sich offiziell an Eure Erste Beraterin wendet und die Vorbereitungen zu einem Treffen einleitet …« Er lachte beinahe und gewann seine starke, direkte Haltung zurück. »Ich schweife ab. Heiratet mich, Mara. Ayaki wird eines Tages Lord der Acoma sein, und Euer zweiter Sohn – unser zweiter Sohn – könnte den Mantel der Shinzawai tragen. Nichts wäre mir lieber, als Euch als Lady an meiner Seite zu haben und zu wissen, daß zwei alte Häuser eines Tages von Brüdern geführt werden!«
Mara schloß die Augen angesichts der aufkommenden Verwirrung. So gut sie Hokanu auch kannte, sosehr sie sich auch zu ihm hingezogen fühlte – die Idee einer Heirat verwandelte ihre Gefühle in einen Wirbelsturm. Sie hatte gespürt, daß dieser Augenblick unausweichlich bevorstand, und fälschlicherweise Schutz hinter
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