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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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herausprügeln können. Er wusste um seine enorme körperliche Stärke, wusste, wie schnell er jemanden verletzen konnte. Deshalb ging er normalerweise behutsam mit seiner Kraft um. Es hatte ihn Jahre der Übung gekostet, sie unter Kontrolle zu bekommen, Jahre, in denen die Menschen schmerzhaft das Gesicht verzogen, wenn er ihnen nur die Hand drückte. Und er wusste um jene enorme Wut, die er in sich trug. Diesen Zorn konnte er nicht kontrollieren. Er fürchtete ihn fast ebenso, als wäre es der Zorn eines anderen Mannes. Wenn er aufstieg, verlor er die Macht über sich selbst, vervielfachten sich seine Kräfte. Ohne sein Messer wäre Thomas Lei-mer jetzt tot.
    Aber diesmal hatte der Zorn sich nicht gelegt. Er wurde nur mühsam in Schach gehalten durch jene Schicht von Eis, die seit Basel sein Herz und sein Hirn eingefroren hatte. Er konnte nicht richtig denken. Doch er musste denken. Er musste entscheiden, was er nun tun sollte. Musste eine Möglichkeit finden, Thomas Leimer auf die Spur zu kommen. Denn dieser Mann war der Schlüssel zu Katharinas Schmerz. Schon dafür verdiente Leimer den Tod. Er musste herausfinden, was es war, was seine Frau und diesen Mann verband. Und sollte es ihn auch das eigene Leben kosten. Vorher konnte er nicht zurück. Er wollte es mit Leimers eigenen Worten hören. Vielleicht konnte er seiner Frau dann wieder vertrauen. Wie sollten sie denn jemals wieder zusammenleben, wenn zwischen ihnen kein Vertrauen war?
    Er hätte es ahnen müssen, dass mit diesem Mann etwas nicht stimmte, als er Thomas Leimer mit dem tückischen Blick des notorischen Blenders zum ersten Mal von der Kanzel hatte predigen hören. Seine Worte klangen gut, seine Stimme war verlogen. Schon damals hatte er ihm nicht getraut, hatte nie verstanden, was Magdalena von Hausen an ihm fand. Warum sie alles, die überkommene Ordnung, ihre Ehre, die Menschen, die sie liebten, weggab, um diesem Mann zu folgen. Er hatte gesehen, wie sich Katharinas Körper versteifte, sich ihr Gesicht verhärtete, wann immer Thomas Leimer in ihre Nähe kam. Damals hatte er gedacht, sie fühle die Schlange, die in diesem Mann wohnte, ebenso wie er. Doch das war ein Irrtum gewesen. Der Grund lag ganz woanders. Sie hatte Leimer geliebt. Das war ihm jetzt klar.
    Konz stöhnte auf. Er wollte, er hätte die beiden nicht zusammen gesehen. Er fühlte wieder die eiserne Entschlossenheit in sich aufsteigen, diesen Mann zu stellen, die Hände um seinen Hals zu legen und zuzudrücken.
    »He, Fremder, willst du noch lange hier sitzen, ohne einen weiteren Wein zu trinken?« Maria hatte sich direkt vor ihn gestellt, die Hände in die Hüften gestemmt, den Oberkörper leicht vorgebeugt, sodass ihre fülligen Brüste fast aus dem Mieder sprangen.
    Konz blickte sie verständnislos an, nahm langsam wieder den Raum wahr, in dem er gerade saß. Hölzerne unbequeme Bänke, glänzend poliert von hin- und herrutschenden Hinterteilen unzähliger Gäste. Das Gemurmel der anderen und die vier Männer, die am Tisch direkt rechts von ihm saßen. Auf der Platte lagen noch die Reste einer Mahlzeit: abgenagte Schweineknochen, Brotkrümel, eine Lache von verschüttetem Wein. Einer der vier musste einen Witz erzählt haben, denn alle lachten grölend, schon halb berauscht.
    »Und stellt euch vor, dieser Dummkopf wollte doch tatsächlich zu dieser Jahreszeit noch über den Arlberg-Pass nach Italien. Einen schlechteren Weg hätte er sich wohl nicht aussuchen können. Auch noch in Begleitung einer Frau. Selbst wenn sie für den ersten Teil der Strecke auf dem Alpenrhein ab Rorschach Richtung Süden eine Ledine bekommen, wird es schon schwer genug. Versteh einer die Menschen. Ausgerechnet über den Arlberg-Pass. So ein Dummkopf! Als ob der Leibhaftige hinter ihm her wäre, als ob er was zu verbergen hätte. Er müsse schnellstens nach Rom zur Kurie. Er habe einen wichtigen Auftrag des Hauses Fugger und eine dringende Nachricht vom Domherrn zu überbringen, wollte er mir weismachen. Wer's glaubt. So einen Umweg macht doch sonst kein Mensch, der seine fünf Sinne beieinander hat, schon gar kein Handelsmann des Hauses Fugger. Das kann er erzählen, wem er will, aber nicht mir.« Der Dicke wischte sich grinsend die fettigen Hände am Wams ab.
    »Dass ich nicht lache«, krähte der kleine Dünne neben ihm, der aussah wie ein Wiesel. »Will um diese Zeit mit dem Schiff den Alpenrhein befahren. Bei diesem Regen und diesen Stürmen schafft das auch keine Ledine. Das würde kein Kapitän mit

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