Zeit des Lavendels (German Edition)
Misstrauen wieder nachließ. Dem Dicken blieb das Würfelglück treu. »Ihr könntet Recht haben, Fremder, Ihr könntet Recht haben«, dröhnte er mit schwerer Zunge.
»Also, dann sagt mir lieber, wo ich diesen Mann und diese Frau finde.« Konz bemühte sich, die erneute Nachfrage wie einen Scherz klingen zu lassen.
Der Dicke stützte den Kopf auf die Hand. »In der Herberge zum Silbernen Fisch, nicht weit von hier, meine ich«, lallte er. Dann glitt ihm der Ellbogen weg, und der Kopf knallte auf die Tischplatte. Eine Sekunde später schnarchte er.
Am nächsten Morgen war Konz bereits unterwegs zum Silbernen Fisch. Er wartete. Zwei Stunden wartete er, dann sah er einen Mann und eine Frau, die offensichtlich abreisten. Er meinte, den Messerstich von Basel noch einmal zu spüren. Das war er! Das war Thomas Leimer. Er hatte ihn endlich gefunden. Nun würde er ihn nicht mehr verlieren. Wohin dieser Mann ging, würde auch er gehen. Er würde ihn stellen. Sein heißer Zorn wich einer kalten Gewissheit und einer eisigen Ruhe. Aber er konnte warten ... Am besten ließ er ein, zwei Tage Abstand zwischen sich und dem Paar, damit Leimer ihn nicht erkannte. Er konnte warten.
Dorothea Offenburg biss sich auf die blau gefrorenen Lippen. Seit einer endlosen Reihe von Tagen waren der Tuchhändler Johannes Brutschin und seine Frau Ursula nun wieder unterwegs. Entlang des Sees in Richtung Bregenz, durch Nebel und nicht enden wollende Nässe. Trampelpfade, auf denen sich der kleine Trupp mit dem Packpferd durch schlammige Wiesen und über matschige Pfade quälte. Immer wieder hatte sie sich gewünscht, es möge wenigstens richtig kalt sein, die Pfützen gefroren. Nur endlich ein Ende dieser Nässe, die ihr durch Mark und Bein drang. Selbst die Betten in den verlausten und verwanzten Herbergen waren klamm gewesen. Dorothea Offenburg hatte das Gefühl, als würde ihr nie mehr in ihrem Leben warm werden, als hätte kein Feuer die Macht, jene kalte Nässe zu vertreiben. Endlich waren sie in der Herberge in Rorschach angekommen.
»Ich möchte nur noch schlafen. Hast du dir schon unsere Bettstatt angeschaut?«
Mit einer ungeduldigen Geste brachte der Tuchhändler seine erschöpfte Frau zum Schweigen. Dorothea Offenburg war müde, selbst zu müde, um zu essen. Sie wollte endlich weg aus der Schankstube und hinauf in ihr Strohlager. Und sei es noch so voller Ungeziefer. Doch der edle Gatte hatte keine Zeit für sein Weib. Seine neue Bekanntschaft war Gold wert: einer der Männer der berühmten »Mailänder Boten«, die die Nachrichten-Verbindung zwischen Lindau und Mailand aufrechterhielten. Andreas Messmer stammte aus Fussach. Und er kannte sich aus auf dem Weg nach Italien. Stämmig, rote Wangen, Arme wie knorrige Äste. Leimer hing an seinen Lippen. Die beiden Männer waren inzwischen schon die besten Freunde. Ständig stand ein gefüllter Becher mit Wein vor ihnen.
Anderl, wie er sich nannte, schüttelte gerade bedächtig den Kopf. »Seid Ihro Gnaden Euch sicher, dass Ihr mit einem Weib über den Arlberg wollt? Zu dieser Jahreszeit?«
Leimer nickte. »Es muss sein. Der Fugger wartet nicht lange, wenn er einen Auftrag gegeben hat. Und meiner lautet nun einmal: Geh nach Italien.«
Anderl nickte düster. Er kannte den Ruf der Fugger. Sie verlangten, dass ihre Aufträge prompt erledigt wurden. Und sie gaben jedem nur eine Chance. »Das mit die Ungeduld von die reichen Herrschaften, des kenn i schon. Also, zwei Möglichkeiten habt's. Die linksrheinische Strecke über Rheineck, Altstätten nach Werdenberg. Von da aus mit der Fähre weiter nach Schaan. Der direkte Weg nach Sargans ist wegen der Enge am Schöllberg schon im Sommer schwer genug zu passieren. Deswegen wird's am besten sein, Ihr nehmt gleich die rechtsrheinische Route durchs Österreichische. Aber mei, mit an Weib! Na, Euro Gnaden san ziemlich unvorsichtig. Ich kenn den Weg. Davon kann ich nur abraten zu der Jahreszeit. Da ist's schon für ein gestandenes Mannsbild allein schwer genug. Auf gar keinen Fall dürft Ihr über Bludenz und den Arlberg-Pass. Über den Berg führt bloß ein Saumpfad, nicht breit genug selbst für einen kleinen Karren. So manches Stück Weg müsst Ihr absteigen und zu Fuß gehen. Also, wählt den anderen Pfad, den leichteren. Was wollt Ihr auch davon abweichen, als wär Euch der unselige Satan auf den Fersen. Ich tät Euch ja gegen ein gutes Entgelt mitnehmen. An kleinen Verdienst nebenbei kann jeder brauchen. Bloß, die Zeit, ständig auf an
Weitere Kostenlose Bücher