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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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lassen müssen. Er konnte sich nicht mit noch einem Tier belasten. Wieder kämpfte er sich einige Meter vorwärts. Der Sturm zog bereits einen Vorhang aus Schnee zwischen sie. Sein Gaul warf den Kopf nach oben und wieherte.
    Das Pferd von Dorothea antwortete und setzte sich ebenfalls in Bewegung.
    »Thomas, bitte hilf. Ich schaffe es nicht mehr.« Er konnte ihre schwache Stimme durch den eisigen, peitschenden Wind kaum hören. Sie schwankte im Sattel, versuchte verzweifelt, sich auf dem Pferd zu halten. Sie war also wieder zu sich gekommen. Verflucht sollte sie sein.
    »Thomas! Liebster, bitte ...«
    Nein, er wollte nicht. Er wollte nicht auf diese Stimme hören ... Da stieg unvermutet sein Pferd. Er hatte nicht damit gerechnet und landete mit einem Schwung im kniehohen Schnee. Fluchend erhob er sich und klopfte seine Kleider ab. Inzwischen war ihr Pferd wieder näher gekommen. Er spürte ihre Augen förmlich, wie sie ihn angstvoll, aber immer noch voller Vertrauen unter der tief in die Stirn gezogenen Kapuze anblickten. Sie war offenbar fast besinnungslos vor Schmerzen. Aber diese Augen! Er konnte diesen Blick nicht ertragen. Wie damals im Armenspital die Augen seiner sterbenden Mutter. Verdammt, er war einfach zu weichherzig. Also gut. Bis zur nächsten Herberge würde er sie noch bringen. Aber dann musste sie sehen, wo sie blieb.
    Ohne ein Wort band er die Zügel ihres Pferdes hinten am Geschirr des Packpferdes fest. Danach ergriff er die Zügel des Packpferdes und stieg wieder auf seinen Klepper. Der schien plötzlich nichts mehr dagegen zu haben, weiterzulaufen. Thomas Leimer zog sich die Kapuze noch tiefer in die Stirn. Er sah sich nicht mehr nach der Frau auf dem Pferd hinter sich um. Wenn sie sich auf dem Gaul halten konnte bis zur Herberge, dann wollte es das Schicksal eben so. Wenn nicht — dann hatte sie Pech gehabt. Er hatte jedenfalls das Seine getan. Mehr Nächstenliebe konnte niemand erwarten, auch der Himmel nicht. Fast liebevoll tätschelte er das Bündel, in dem er das Mönchshabit versteckt hatte. Es war sicher hinten an seinem Sattel festgeschnallt. Bruder Benediktus wartete schon.
    Die Wirtsfrau schlug beide Hände über dem Kopf zusammen, als Thomas Leimer mit der schwankenden Dorothea am Arm die Tür zur Herberge aufstieß. »Mein Gott, was ist mit Euch, was hat diese arme Frau? Kommt, kommt schnell, wir haben oben noch ein freies Zimmer. Los, Mann, mach schnell einen gewürzten Wein heiß. Die kleine Frau bricht uns sonst völlig zusammen. Womöglich stirbt sie noch.«
    In diesem Moment wusste Regine Steirer noch nicht, wie Recht sie mit ihrer Sorge hatte. Erst als die Wirtin die Bewusstlose aus ihrem vor Kälte steifen Umhang schälte, sah sie das ganze Ausmaß des Unglücks. Dorotheas Rock war blutig. Die Wirtin begriff sofort: Diese Frau hatte eine Fehlgeburt. Und wenn ihr nicht alle Engel des Himmels und die gnädige Jungfrau Maria beistanden, würde sie verbluten, so schwach wie sie war. Thomas Leimer würgte, als der blutige Schoß seiner Frau zum Vorschein kam. Er hatte so etwas noch nie ertragen. Er hasste Krankheit, hasste den Geruch von Blut. Fluchtartig verließ er das Zimmer.
    Langsam kämpfte sich der Geist von Dorothea Offenburg drei Tage später wieder ins Bewusstsein zurück. Das erste Gefühl, das sie empfand, war Wärme. Endlich wohlige Wärme. Dann eine sanfte Hand, die ihr mit einem feuchten Tuch die Stirne abwischte. Ihre Lider zitterten, und sie schlug die Augen auf. An ihrem Bett saß die Wirtin und schaute sie mitleidig an.
    »Wo bin ich?«, stammelte Dorothea Offenburg.
    »Am Leben, junge Frau. Dem Himmel sei's gedankt. Aber Ihr habt Euer Kind verloren. Seid nicht traurig. Gott wird Euch ein neues schenken. Denkt einfach, der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen.«
    Dorothea Offenburg versuchte ihre Benommenheit abzuschütteln. »Wo ist mein Mann? Warum ist er nicht bei mir?«
    Der Blick der Wirtsfrau wurde hart. Trotzdem versuchte sie, ihrer Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben. »Er ist weitergezogen. Er sagte, der Dienst fürs Handelshaus der Fugger, den er zu verrichten habe, dulde keinen Aufschub. Ihr solltet zurück nach Konstanz gehen. Er hat auch Geld dagelassen für Eure Pflege, bis es Euch besser geht und Ihr stark genug seid, zurückzureisen. Mein Mann hat versprochen, dass er Euch unseren Knecht zur Begleitung mitgeben wird. Wie Ihr seht, es ist alles geregelt. Macht Euch also keine Sorgen. Wir behalten Euch gerne noch eine Weile hier. Im

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