Zeit des Lavendels (German Edition)
Wasser.«
Folgsam lief die Kleine hinaus und kam kurze Zeit später mit der Wasserschüssel und einem Tuch aus Leinen zurück. Katharina feuchtete den Lappen an und drückte ihn vorsichtig auf die Wange der Äbtissin. Diese stöhnte leise, doch die Kühlung tat ihr sichtlich gut.
Inzwischen hatte ein Diener auch die Kräuterlade gebracht. Katharina nahm sich die Kanne auf dem Tischchen am Bett der Hegenzerin. Dort hinein füllte sie eine halbe Hand voll getrockneter Blütenblätter von Rosen, eine halbe Hand voll Salbei, dieselbe Menge Veilchen und Schwarzbeeren, etwas Kamille und Bilsenkraut. Damit ging sie in die Küche und goss die Mischung mit etwa einem Liter kochend heißem Wasser auf.
Es dauerte eine Weile, bis der Aufguss die richtige Temperatur hatte. Er durfte nicht zu heiß sein, aber auch nicht zu kalt. In der Zwischenzeit erneuerte sie immer wieder die kühlen Tücher für die geschwollene Wange der Hegenzerin. Den letzten Rest Wasser schüttete sie aus dem Fenster und hielt der Äbtissin die leere Schüssel hin. »Haltet sie fest. Jetzt werden wir Mundspülungen machen.«
Gehorsam tat die Befehlsgewohnte, wie ihr geheißen wurde. Gurgelnd versuchte sie, den bohrenden Schmerz loszuwerden. Und nach einer Weile schien tatsächlich Erleichterung einzutreten. Katharina sah, wie die Augenlider der Äbtissin immer schwerer wurden. Sie stellte den Rest des Aufgusses in der Kanne auf das Tischchen. Die Kräuter hatte sie vorher durch ein Tuch abgeseiht. »Versucht jetzt zu schlafen«, murmelte sie sanft; »Das ist immer noch die beste Medizin. Und wenn der Schmerz zu stark wird, dann macht eine weitere Mundspülung und lasst Euch kalte Tücher für die Wange geben. Dann wird die Schwellung abklingen.«
Die Hegenzerin hörte die letzten Worte nicht mehr. Aus dem Bett kam ein leises Schnarchen.
Katharina lächelte und streckte die müden Glieder. Es war ein langer, erlebnisreicher Tag gewesen. Das Morgengrauen war nicht mehr fern, es war Zeit, dass sie auch ins Bett kam zu ihren Kindern.
Die kleine Anna drückte sich sofort im Halbschlaf in die Arme der Mutter, Thomas rollte sich vor ihrem Bauch zusammen. So gaben sie einander Wärme und Geborgenheit. Solange es die Kinder gibt, hat mein Leben doch einen Sinn, dachte Katharina noch. Dann war auch sie eingeschlafen.
Es dauerte noch drei Tage, bis die Zahnschmerzen bei Agatha Hegenzer von Wasserstelz verschwunden waren. Doch die Heilung änderte ihre Einstellung zu Katharina grundlegend. Jemanden in der Nähe zu haben, der sich auf die Medizin verstand, konnte von wesentlicher Bedeutung sein, das erkannte die Äbtissin sofort. Mochte dieser Jemand auch noch so undurchsichtiger Herkunft sein. So etwas wie Vertrauen begann zwischen den beiden Frauen zu keimen. Doch Agatha Hegenzer war es nicht gegeben, ihre Empfindungen zu zeigen.
Aber Katharina spürte die Veränderung in ihrem Verhältnis zueinander auf die verschiedenste Weise. Sie wurde von all ihren anderen Pflichten entbunden und bekam die Helfer zur Verfügung gestellt, die sie brauchte, um die Heilkräuterbeete im Küchengarten des Stiftes zu komplettieren. Die Schrift des Mönches Walafried von Sträbo vom Kloster Reichenau über den Anbau und die Wirkung der Kräuter leistete Katharina dabei unschätzbare Dienste. Außerdem hatte ihr Agatha Hegenzer die Abschrift einiger Kapitel gegeben, die Hildegard von Bingen über die Kräuter, ihr Wesen und ihre Pflege geschrieben hatte. Nach diesen Anleitungen legte sie die Beete sorgsam an — und auch für die Küche fiel dabei so manches Gewürzkräutlein ab. Allerdings musste sie den Küchenmeister anfangs überreden, Salbei und Lavendel, Kümmel und Nelken zu verwenden. Es versöhnte ihn, dass er dadurch so manches Mal eine Prise des kostbaren Salzes oder Pfeffers sparte.
Noch eine Vergünstigung brachte Katharina der geheilte fürstliche Backenzahn. Die Äbtissin stellte ihr das Material und die Leute zur Verfügung, um sich ein eigenes kleines Haus zu bauen. Agatha Hegenzer befand, dass die Leibärztin der Äbtissin von Seggingen angemessen zu wohnen hatte. Katharina wusste schon, wo sie ihr neues Haus bauen würde: an der Stelle, an der die inzwischen verfallene Hütte der alten Nele stand, nicht allzu weit entfernt vom Schrein der Seconia.
Katharina schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, ich will ein gemauertes Fundament für mein Haus. Es soll keine einfache Holzhütte werden.«
»Dafür wird das Geld nicht reichen, das mir die Äbtissin
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