Zeit des Lavendels (German Edition)
zugesagt hat«, wandte Mathias Henlein ein. »Außerdem bin ich Zimmermann und Restaurator und kein Maurer. Die hiesigen Bauleute würden nicht dulden, wenn ich ihre Arbeit machte.«
»Wir werden eine Lösung finden.« Katharina ließ sich von ihren Plänen nicht abbringen. Mit großzügigen Strichen zeichnete sie mit einem Stock ihr Haus in die Erde, dort, wo einmal Neles Kräutergarten gewesen war. Aber von all den heilenden Pflanzen war keine mehr zu sehen. Die Natur hatte sich den Garten zurückgeholt. Doch, da — Katharina lächelte. Da, zwischen dem Unkraut und dem Gras hatte sich eine Staude Lavendel behauptet, kleine grüne Blätter grüßten den Himmel. Die junge Frau lachte glücklich. Das war ein Zeichen. Sie tat das Richtige. Hier würde sie ihrer Familie eine Heimat bauen, ein Haus, in dem es nach Lavendel roch, wie damals in der kleinen Hütte, die einst hier gestanden hatte. Und hier würde sie auf Konz warten. Es war ihr, als hätte ihr die Pflanze einen Gruß aus einer anderen Welt gebracht, einen Duft von Hoffnung, eine Botschaft von Nele. Die alte Heilerin von Seggingen hieß gut, was sie da tat.
»Macht Euch um das Geld keine Sorgen, Meister Henlein.
Ich habe selbst noch einiges gespart. Jedenfalls will ich ein richtiges Haus. Eines mit einem Fundament aus Stein, das noch steht, wenn meine Tochter und mein Sohn erwachsen sind und Familien haben.« Liebevoll schaute sie zu den beiden Kindern hinüber, die durch das hüfthohe Unkraut im ehemaligen Garten tobten und vergnügt in den zusammengesunkenen Trümmern der alten Hütte nach Schätzen fahndeten. Anna krähte jedes Mal vor Vergnügen, wenn sie wieder eine Tonscherbe gefunden hatte. Gerade eben zog sie die Reste einer Decke unter einem abgestürzten Dachbalken hervor. Katharina krampfte es das Herz zusammen. Die Decke erinnerte sie an die letzten Tage der alten Nele, die so friedlich und mit sich im Reinen gestorben war. Sie hoffte, auch ihr würde der Herr einst diese Gnade gewähren. Vielleicht war das mit ein Grund, warum sie die amtierende Äbtissin gerade um dieses Grundstück gebeten hatte.
Zu ihrer Überraschung war ihr die Bitte sofort gewährt worden. Die Hegenzerin war nun einmal eine Frau der praktischen Überlegungen. Das kleine Stück Land lag auf der anderen Seite der gedeckten Holzbrücke, außerhalb der Stadtmauern und jenseits des Rheins. Von dort aus hatte man einen wunderbaren Blick auf die alte Rheininsel, auf der der Überlieferung nach einst der heilige Fridolin so gerne geweilt hatte, als er aus seiner Heimat Irland nach Seggingen gekommen war, um den hiesigen Heiden den Glauben zu bringen. Seitdem galt die kleine Insel als Fridolins Boden, geheiligtes Land. Auf diesem Grundstück war Katharina jedenfalls weit genug weg, um den Menschen aus dem Weg zu gehen, falls wieder einmal die Hexengerüchte aufleben sollten. Dennoch war es nahe genug, um Katharina schnell holen zu können, sollten Menschen oder Tiere in der Stadt ihre Hilfe brauchen.
Und fähige Heilerinnen waren selten. Deswegen wollte die Äbtissin sich diese hier verpflichten, auch wenn sie eine Frau mit dunkler Herkunft war. Katharina konnte es jedenfalls mit jedem männlichen Arzt aufnehmen, auch wenn sie nicht studiert hatte. Allerdings würde sie weder Grundstück noch Haus umsonst bekommen. Solange die Äbtissin ihre Hilfe benötigte, würde sie diese ohne Entgelt leisten und sich ohne Erlaubnis der Fürstin auch nicht länger als eine Woche aus Seggingen entfernen. Das war der Handel, den sie Katharina vorgeschlagen hatte.
Und die junge Frau schlug ein. Denn dafür wurde ihr nun das Land der alten Nele zu Eigen überschrieben. Sie bekam sogar Material und Handwerker für den Bau ihres Hauses. Mathias Henlein war einer von ihnen. Er war eigentlich kein Meister, sondern ein reisender Zimmermannsgeselle auf der Walz. Die Äbtissin hatte ihn mit diversen Ausbesserungsarbeiten am Münster und an den Häusern der Stiftsdamen im Alten Hof beschäftigt. Diese waren mittlerweile abgeschlossen, und er war mehr als zufrieden, noch eine Weile in der Stadt zu bleiben.
Anerkennend blickte er auf Katharina. Mit ihren geröteten Wangen, der lockigen Strähne braunroten Haares, die sich wieder einmal aus der Haube gelöst hatte und ihr über die Nasenspitze hing, sah sie eher aus wie ein junges Mädchen als eine verheiratete Frau mit zwei Kindern — eine, deren Mann seit Jahren verschwunden war. Vielleicht ergab sich da ja etwas ... Sie war auf jeden Fall
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