Zeit des Lavendels (German Edition)
entzückend, wie sie aufgeregt wie ein kleines Mädchen ihre Striche in die Erde ritzte. Am liebsten hätte er die feinen Härchen berührt, die im Nacken unter der Haube hervorlugten und in denen sich das Sonnenlicht fing.
Katharina hob den Kopf. »Ihr sollt Euch nicht meinen Nacken anschauen, Meister Henlein, sondern meine Zeichnung«, erklärte sie trocken.
Der Mann riss sich zusammen. Aber immer wieder wanderte sein Blick zur zarten Nackenlinie dieser Frau. Doch jetzt achtete er darauf, dass sie es nicht mehr bemerkte. Er wollte sie nicht erschrecken. Sie rührte irgendetwas in ihm an, weckte seinen Beschützerinstinkt. Vielleicht war es diese unbestimmte Traurigkeit in ihrem Blick. Am liebsten hätte er sie ihr fortgeküsst ... Doch sie hatte so eine Art, einen Mann auf Distanz zu halten, die wie eine unsichtbare Mauer wirkte. Wenn er sich um ihr Haus kümmerte, würde er sie jedenfalls noch oft sehen in der nächsten Zeit.
Ihre Worte drangen jetzt wieder in sein Bewusstsein. Er musste unwillkürlich lächeln, als sie energisch die Haarsträhne wegblies, die sie an der Nase kitzelte. »Den Eingang will ich im Osten, dort, wo die Sonne aufgeht. Davor soll ein kleiner Vorbau, luftig gebaut, in dem ich meine Kräuter trocknen kann. Dahinter will ich einen großen Raum und die Küche, daneben eine Kammer, in der die Kinder und ich schlafen können. Neben das Haus sollte noch ein kleiner Stall. Außerdem muss es so gebaut sein, dass es aufgestockt werden kann, wenn meine Kinder einmal ihre eigene Familie gründen wollen. Dann will ich auch noch eine Mauer ums Haus, in deren Schutz ich meinen Kräutergarten anlegen kann. Sonst bläst mir der kalte Fricktaler Wind noch die zarten Keimlinge kaputt. Und dann muss auch noch der Ziehbrunnen repariert werden.«
Mathias Henlein nickte anerkennend. Diese Frau mochte ja zerbrechlich wirken, aber sie wusste, was sie wollte, und sie wusste, wovon sie sprach. Das würde ein heimeliges kleines Haus werden, wenn es einmal fertig war.
Er räusperte sich. »Gut, ich werde mit dem Steinmetz sprechen, damit er mit seinem Gesellen das Fundament und die Mauer zieht. Danach werde ich das Holz für den Aufbau und das Dach aussuchen. Die Äbtissin hat mir erlaubt, es aus dem Stiftswald zu holen. Doch es muss erst noch trocknen, bevor ich es behauen kann. Das alles wird aber sehr viel teurer werden als gedacht. Vielleicht kann ich etwas handeln ...«
»Lasst das meine Sorge sein«, beschied ihn Katharina. »Ich sagte Euch doch, ich habe genügend Geld. Tut Ihr nur Eure Arbeit.«
Der Mann nickte.
Als der Winter kam, stand das Haus. Katharina war glücklich, als sie zum ersten Mal mit ihren Kindern am gemauerten Kamin saß. Sie erzählte ihnen von der kleinen Feuerstelle der alten Nele. Thomas und Anna betrachteten die alte Heilerin von Seggingen inzwischen schon als so etwas wie ihre Urgroßmutter, auch wenn sie sie nicht kannten. Die Mutter erzählte so oft von ihr. Thomas hatte sie zwar gesehen, als er ganz klein war, doch er erinnerte sich nur schemenhaft an die verkrümmte, gichtige Gestalt.
Im Frühling begann Katharina den kleinen Garten anzulegen. Sie hatte von der Äbtissin die Erlaubnis bekommen, sich Ableger aus dem Stiftsgarten zu holen. Zur Einweihung hatte die Hegenzerin der kleinen Familie außerdem einen Walnussbaum, einen Apfel- und Birnbaum, einen Pflaumenbaum und einen gelben Rosenstock geschenkt, der einen Ehrenplatz an der sonnigen Südwestecke des kleinen Häuschens bekam. Und Großmeier Hans Jakob von Schönau hatte nicht nur einige Männer zum Hausbau abgeordnet, sondern stiftete noch mehrere Weinstöcke, die die Südwand bald mit ihren grünen Blättern bedeckten.
Ihren ersten Hahn und zwei Hennen bekam Katharina von jemandem, an den sie zuletzt gedacht hätte. Eines Abends stand Jungfer Elisabeth vor ihrer Türe. Jene Elisabeth, die einst ihren Hass auf sie hinausgekreischt und die Menge aufgepeitscht hatte, die Hexe Katharina und ihre Hexenbrut zu steinigen. Katharina hätte ihr die Türe beinahe wieder vor der Nase zugeschlagen. Doch etwas an der Art, wie ihr Elisabeth stumm einen Korb entgegenstreckte, ließ sie zögern.
»Was willst du von mir? Hast du mir nicht schon genug Schaden zugefügt mit deinen üblen Verleumdungen? Hast du mir nicht die Heimat und beinahe auch das Leben genommen damit?«
Elisabeth nickte. »Ich weiß«, sagte sie leise. »Die Äbtissin hat mich deswegen auch ganz schön ins Gebet genommen. Ich sehe ein, dass es nicht recht
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